auf Tour

3500 km mit dem 48er Brezel von Erlangen nach Bukarest und zurück

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Von Richard Hausmann

 

Es war mal wieder an der Zeit, eine weitere Tour mit einem meiner Brezelkäfer zu machen. Erst dachte ich an das Nordkap, aber dann entstand die Idee, Freunde in Bukarest zu besuchen und Land und Leute dort etwas besser kennenzulernen. Ich wählte meinen dunkelblauen September 1948 frühen Export Brezel aus und machte diesen fertig zu der langen Tour. Der Brezel ist ja allgemein bekannt und ich war schon oft mit diesem Wagen auf unseren Treffen. Den Brezel übernahm ich mit einer Laufleistung von ca. 17000 km und während der Fahrt nach Rumänien erreichte ich den Kilometerstand von 40000 km. Ich bin also selbst mit dem Brezel in den letzten 8 Jahren schon mehr gefahren als der Erstbesitzer! Der Brezel schnurrte zuverlässig die 3500 km herunter, selbst unter recht großer Beladung von drei Erwachsenen und Reisegepäck später in Rumänien.

Hier nun der Reisebericht:

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Am Donnerstag, den 16. Juli startete ich früh am Morgen gegen Sieben Uhr in Richtung Süden. Um schnell voranzukommen, benutzte ich deshalb wo immer möglich Autobahnen. Dies war bis ca. 60 km südlich von Budapest auch sehr schön möglich. Der dauernde Kampf mit den Lkws, vor allem in Österreich, wo diese scheinbar noch einen Kick schneller fahren, war natürlich etwas ermüdend, aber immer wieder prickelnd.

Die Grenze nach Österreich bei Passau erreichte ich nach ca. 3 ½ Stunden, die Grenze nach Ungarn hinter Wien nach nochmals 4 ¼ Stunden. Dann war es nicht mehr weit nach Budapest. Erstaunt (und genervt) haben mich in Ungarn der Gestank nach Massentierhaltung und Gülleausbringen entlang der Autobahn. Das ging viele Kilometer so.

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Um kurz nach 17 Uhr und nach 754 km erreichte ich Budapest, meinen ersten Übernachtungsstopp. Ich quartierte mich in das Bohem Art Hotel im Stadtzentrum ein und hatte noch etwas Zeit, mir die wunderschöne Stadt anzuschauen und ein entsprechendes ungarisches Essen einzunehmen.

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Am nächsten Morgen ging es dann wieder recht früh weiter in Richtung Rumänien, erst auf der Autobahn und dann auf die E60 in Richtung Oradea (Großwardein), der Grenzstadt in Rumänien, in welcher ich mich mit dem befreundeten Ehepaar Isabella und Christian treffen wollte. Die beiden waren in der Nacht mit dem Zug von Bukarest angereist.

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Auf dem Weg weite Sonnenblumenfelder und schöne Dörfer, aber auch sehr viele Lkws und selbstmörderische Überholmanöver der anderen Verkehrsteilnehmer.

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Nach einigen Telefonaten hin und her klappte dann das Treffen im sehr intensiven Verkehr von Oradea und von da an musste der 48er nun drei Erwachsene mit Gepäck über die rumänischen Landstraßen transportieren. Autobahnen gibt es in Rumänien nur in kleinen Teilstücken und schon gar nicht in den Karpaten.

Nun ging es weiter über eine leicht hügelige  Landschaft mit vielen langen Straßendörfern, dann mal wieder Serpentinen hoch und runter und nach weiteren 310 km erreichten wir Sighisoara, vormals Schäßburg in Transylvanien, ohne dass wir bis dahin einen Vampir oder auch Herrn Drakula persönlich gesehen hatten. Aber es war ja noch hell ...!

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 Sighisoara mit seiner Zitadelle, die wunderschön restauriert und bewohnt ist, ist sicherlich einer der schönsten Orte in Rumänien und wirklich eine Reise wert. Wir übernachteten in einem Hotel oben in der Zitadelle und hatten am nächsten Tag Zeit, die Stadt auf uns wirken zu lassen. Es gab natürlich auch einmalige Hintergründe für Käferfotos. Hier einige Eindrücke:

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Am frühen Nachmittag machten wir uns auf in Richtung Brasov (Kronstadt), wobei wir erfahren hatten, dass in der Nähe unseres Weges (Odorhellen) ein Volkswagentreffen stattfinden sollte. Also entschlossen wir uns, dort kurz vorbeizuschauen. Jedoch ist bei den Straßenverhältnissen in Rumänien nichts mit „kurz mal vorbeischauen“. :

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Wir mussten wegen der Sperrung eines Bahnübergangs eine innoffizielle Umgehung fahren, die mich sehr an „Wege“ im Osten von Sibirien erinnerte und dem Käfer eine Staubpatina gab. Ebenso lernten wir die berüchtigten Löcher in den Teerstraßen kennen, die einem locker die Vorderachse ruinieren konnten, wenn man sie übersah. Also hieß es aufpassen.

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Brasov war unser zweiter Über-nachtungsstopp in Rumänien und wir blieben zwei Nächte um uns am Tag darauf die Stadt und natürlich die beiden Burgen Peles und Bran anzuschauen, die in ca. 50 km Entfernung von Brasov liegen. 

Brasov ist eine sehr pulsierende und lebendige Stadt, vor allem am Abend. Überall Restauranttische auf der Straße, eine wunderbare Altstadt mit vielen denkmalgeschützten und bereits restaurierten Häusern, viele junge Leute!

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Am nächsten Morgen dann Aufbruch in die Karpaten zum Peles Castle. Eigentlich sollte die Fahrt nur eine Stunde dauern, aber dann waren es eben doch fast drei, weil eine Baustelle eingerichtet war. Peles Castle war die Sommerresidenz des rumänischen Königs, der aus dem Hause Hohenzollern stammte und so ist das im 19. Jahrhundert gebaute Schloss auch sehr deutsch und für damalige Verhältnisse auch technisch sehr modern (Aufzüge, Heizung, elektrischer Strom schon damals). Die Führung war sehr interessant, wobei ich immer noch nicht verstanden habe, warum ein Deutscher in Rumänien König war...

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Dann ging es zurück und auch da ereilte uns der Stau, aber auch ein sintflutartiger Regen, der meine kleinen Scheibenwischer an die Grenze der Belastungsfähigkeit brachte. Wir erreichten nach ca. 2 Stunden Bran Castle, die Burg der Familie Dracula seit dem 12. Jahrhundert. Aber angeblich hat hier der bekannte Graf nie persönlich gelebt. Das Tourismus-Marketing ignoriert diese Tatsache natürlich geflissentlich!

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Wir machten nur einen kurzen Fotostopp und verzichteten auf eine Führung durch die Burg. Die Rückfahrt nach Brasov verlief reibungslos.

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Am nächsten Tag überwanden wir die Karpaten nach Süden und fuhren von Transsylvanien in die Walachei und letztlich nach Bukarest. Dazu wählten wir die zweithöchste geteerte Passstraße Rumäniens aus, die Transfagarasan, die uns auf 2042 Meter bringen sollte. Diese Straße wurde erst in den 70er Jahren von Nicolae Ceaucescu erbaut, um mit dem Militär schnell vom Süden in den Norden des Landes zu kommen, falls innerhalb seiner diktatorischen Herrschaft Unruhen ausbrechen sollten. Am Ende wurde er aber in Bukarest selbst geschasst.

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Wir verließen Brasov in Richtung Westen nach Fagaras und drehten dann nach Süden ab in die Berge. Ich habe die Kehren beim Anstieg nicht gezählt, aber es waren sehr viele. Zunächst ging es durch schöne Wälder, vorbei an einem sehr langen Wasserfall bis in die Region oberhalb der Baumgrenze.

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Nach einem kurzen Mittagsstopp auf der Passhöhe unterhalb des 2398 Meter hohen Paltinu-Gipfels mit kleinen noch vorhandenen Schneefeldern, fuhren wir durch den  Balea-Tunnel weiter, dem höchstgelegenen und mit ca. 800 Metern längsten (!) Tunnel Rumäniens, bei dem man die Beleuchtung faktisch vollends vermisste.

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Nach dem Tunnel ging es dann wieder genauso runter. Entlang eines ca. 40 km langen Stausees, dem Lacul Vidraro,  erreichten wir auf sehr holprigen Straßen einen mächtigen Staudamm mit mehr als 100 Meter Stauhöhe und 300 Meter Spanne.

Die weitere Fahrt über Curtea de Arges weiter nach Pitesti verlief auf schlechter Straße mit vielen Löchern mühsam bis wir endlich ab Pilesti auf einer Autobahn die letzten 110 km nach Bukarest zurücklegen konnten.

Wir erreichten das Haus von Isabella und Christian um kurz vor 19 Uhr.  

Nach kurzem Frischmachen ging es weiter mit dem Käfer ins Zentrum, um gleich Fotos vor dem jetzigen Parlamentsgebäude zu machen. Unrühmliche Bekanntheit erreichte diese angeblich größte zusammenhängende Gebäude Europas und zweitgrößtes der Welt nach dem Pentagon durch seinen Erbauer Nicolae Caucescu und dessen Frau Elena, die nach Ihrer Schreckensherrschaft die Revolution im Jahr 1989 nicht überlebt haben.

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 Am nächsten Tag hieß es dann Sightseeing in Bukarest, einer Stadt mit schöner Altstadt aber auch einer Metropole zwischen Zerfall und wunderbar restaurierten Jugendstil- und Gründerzeit-Gebäuden. Die Bauten erinnern an Budapest und auch an Paris. Es muss aber noch viel investiert und renoviert werden, viele Gebäude sind abgestützt, Balkone bröckeln ab.

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Wir nahmen an einer Führung durch das Parlamentsgebäude teil und konnten erkennen, wie verrückt Ceaucescu gewesen sein musste. Säle wie in Versailles, alles in Marmor, Lüster mit 30 Tonnen Gewicht und Tausenden von Leuchten, ... und das ganze Land hungerte!

Von den Toten der Revolution zeugt ein Steinkreuz in der Mitte einer Hauptstraße, eher etwas unscheinbar. Christian machte mich darauf aufmerksam. Überhaupt war sehr interessant, was Christian und Isabella von diesen Tagen erzählten. Beide waren damals im Studentenaufstand dabei.

Abends besuchten wir das bekannteste Brauereilokal der Stadt, das Caru cu Bere in der Altstadt. Die Inneneinrichtung ist noch komplett aus der Zeit des Jugendstils und das Essen schmeckte hervorragend, obwohl alles etwas touristisch war.  

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Am nächsten Morgen hieß es Abschied nehmen von Christian und Isabella und die ca. 1600 km lange Rückfahrt anzutreten.

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Zunächst nahm ich die Autobahn zurück nach Pitesti, von dort an die E81 nach Ramnica-Valcea und weiter nach Sibiu (Hermannstadt). Die Strecke war stark befahren mit Lkws, und führte immer wieder bergauf und bergab in Serpentinen. Erst ab Ramnica-Valcea verlief die Straße in einem Tal entlang der Eisenbahn bis kurz vor Hermannstadt. Dort konnte ich endlich wieder auf ein Teilstück der Autobahn A1 auffahren.

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Ich entschied mich, kurz nach Hermannstadt hineinzufahren auch um zu tanken. Hermannstadt scheint eine sehr schöne Stadt zu sein mit einem sehr schönen und vor allem sehr gepflegtem Altstadtkern. Ein Grund nochmals hierherzukommen.

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Die Autobahn A1 war nur bis Simeria ausgebaut und so hieß es, nochmals Landstraße bis fast an die Grenzstadt Arad. Zumindest war es auf dieser Strecke nicht mehr bergig. Ab der ungarischen Grenze wieder durchgehend Autobahn, ein schönes Gefühl, wenn man im Schnitt mit 90 km/h vorankommt.

Da dies so war, entschied ich mich bis Wien durchzufahren und dort zu übernachten. Also fuhr ich an Budapest vorbei, buchte das Hotel in Wien während der Fahrt über booking.com und erreichte kurz nach 21.00 Uhr nach 14 Stunden und 1050 km Fahrt das Marriott Hotel am Parkring in Wien. Kurz geduscht und dann noch im Café Havelka eine Kleinigkeit gegessen und zwei Viertel Roten getrunken.

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Die letzte Strecke von Wien nach Erlangen am Tag darauf empfand ich fast schon als kurz und etwas langweilig. Dennoch war ich glücklich, zu Hause angekommen zu sein, ohne irgendein Problem am Käfer und ohne Unfall oder anderen Schaden.

Rumänien ist ein sehr interessantes Land. Ich kam zurück  voll mit  verschiedenen Eindrücken und Erinnerungen. Das Land hat noch viel vor sich und man wünscht sich, dass die im Moment noch „unvollendete Revolution“ hin zu einer stabilen und leistungsstarken Demokratie im politischen Alltag weitergeführt wird. Die Vielfalt der verschiedenen Kulturen ob Donauschwaben, Ungarischer Minderheit oder einer Metropole wie Bukarest faszinierte mich. Die Fahrt mit dem 67 Jahre alten Käfer natürlich auch.

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Schöne Käfergrüße

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