auf Tour

Dr. Richard Hausmann

Kleine Wagen auf ganz großer Fahrt

Die Vintage-Volkswagen-Challenge 2009 von Erlangen nach Peking

 

Vorwort und Danksagung

Die Erfüllung von Träumen ist für jeden von uns nur dann möglich, wenn günstige Umstände zusammenkommen, andere Mitmenschen mithelfen bzw. sich und ihre Bedürfnisse zurückstellen. So war es auch bei meiner Vintage-Volkswagen-Challenge-2009, die mich und 14 weitere „Verrückte“ mit uralten VW-Käfern von Deutschland nach China brachte.

Wir haben viel erlebt: Landschaften durchfahren, die man nicht alle Tage durchquert, Städte besucht, die man nur aus dem Erdkundeunterricht kennt und Menschen vieler Nationalitäten und Rassen getroffen, die uns alle immer freundlich gesonnen waren. Dies und das Fahren unserer alten Volkswagen hat uns angespornt.

Möglich gemacht haben es viele und deshalb möchte ich diesen Menschen und Institutionen danken:

Allen voran Danke meiner Frau Anna, die mich nach anfänglichen Bedenken immer unterstützt hat, eine wunderschöne Geburtstagsparty in Datong vorbereitet hatte und mich so lange entbehren musste. Auch meinen beiden Söhnen, die mich als Vater über ein Monat lang nur im Internet auf digitalen Fotos sahen. Des Weiteren geht ein großer Dank an Volkswagen China, unserem Hauptsponsor, namentlich an Herrn Schadewald für seine  nimmermüde Hilfe und den Rücktransport der Autos nach Deutschland. Ohne diese engagierte Unterstützung wäre die Fahrt unmöglich gewesen. Lufthansa, Gute Fahrt, TUI China und Castrol danken wir als Gold-Sponsoren. Viele weitere Sponsoren haben uns z.B. mit Rallyeshirts (Mode Eckart, Würzburg), Arztkoffern (Bohlenplatz-Apotheke Erlangen), Rallyeaufklebern (ASOC, China), Geschenkautos (Bub), dem Aufbau des Starttors (Messe Nürnberg), dem Bierausschank in der Botschaft in China (Gasthaus Landgraf, Peking) und auch finanziell (Motor-Nützel, Bayreuth) unterstützt. Dafür meinen herzlichen Dank.

Ein besonderer Dank gilt auch meinem guten Freund Dr. Michael Schaefer, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in China, und seiner Frau Gundi für den grandiosen Empfang in ihrer Botschaft in Peking. Frau Michaela Stolz-Schmitz und ihren Helfern danke ich für die Organisation des Empfangs.

Viele haben uns auf unserer langen Fahrt geholfen, die auftretenden Schwierigkeiten zu meistern. Da waren die Vertretung von Siemens in Moskau und Ulan Batar, die beiden deutschen Generalkonsulate in Jekaterinburg und Novosibirsk, die VW Vertretung in Moskau und die VW Werkstätten in Moskau, Nishi Novgorod, Novosibirsk, und vor allem in Irkutsk.

Auch allen Bloggern, die uns mit ihren anspornenden Kommentaren im Internet geholfen haben, Schwierigkeiten zu überwinden. Den Käferclubs in Litauen, Moskau, Kazan und Peking danken wir alle für die tollen Empfänge.

Zu guter Letzt dann auch noch unserem Freund Evgeni, der uns sein wunderschönes Auto- und Technik-Museum und „sein“ Moskau gezeigt hat und es möglich machte, dass wir am Roten Platz unsere Käfer fotografieren konnten.

All denen, die uns auf der langen Fahrt aus Begeisterung anhupten und fotografierten, die uns trotz immenser Sprachprobleme geduldig zuhörten, wenn wir einchecken oder Essen bestellen wollten und vielen weiteren Menschen, die ich hier nicht alle nennen kann, ein herzlicher Dank aus dem fernen China.

Peking im Oktober 2009

Richard Hausmann

 

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Die Idee wird geboren

Irgendwie träumte ich schon immer von einer ganz weiten Reise mit dem Auto. Aber bevor ich beruflich nach China versetzt wurde, gab es keinen echten Anlass dafür. Das wurde anders im Jahr 2004, als mir ein sehr attraktiver Job als Leiter von Siemens in China angeboten wurde.

Ich war noch nicht lange in China, als ich von der abenteuerlichen Fahrt von zehn Motorradfans mit den BMW-Nachbauten CJ 750 mit Seitenwagen von Peking nach Berlin erfuhr und wenig später das Buch darüber las. Was mit solchen Gefährten möglich ist, muss doch ein VW Käfer allemal schaffen, auch wenn er schon 60 Jahre alt ist, dachte ich mir damals.

Und dann war da noch der Baikalsee, den ich schon so oft beim Überfliegen gesehen hatte, zugefroren und im Glanz der Sommersonne. Ich wollte diesen wunderbaren See, der 20% der Süßwasserreserven der Erde beinhaltet und den manche auch Meer nennen, irgendwann einmal von der Nähe sehen.

Gleichzeitig bin ich leidenschaftlicher Sammler alter VW Käfer und fahre diese Autos sehr gerne und auch über lange Strecken. Denn ich bin ein überzeugter Anhänger der These, dass alte Autos gefahren werden müssen.

So ging ich längere Zeit schwanger mit der Idee, mit uralten Volkswagen Käfer diese Reise zu machen, sozusagen die 11000 km Entfernung einmal echt zu „erfahren“. Aber letztlich wurde die Idee dann geboren bei einem Biergartenbesuch mit Heinrich Kraus. Denn er sprach mir zu und war auch Feuer und Flamme für diese Idee.

Das war vor fast vier Jahren und eigentlich wollte ich die Fahrt schon im Olympiajahr 2008 machen, aber unsere Oldtimer waren scheinbar nicht willkommen und man verlangte von chinesischer Seite aus horrende Summen für die Einreise. Dies sollte auf Chinesisch nur heißen: Wir wollen euch nicht zur Olympiade, wollen es aber nicht so direkt sagen. Im Jahr darauf betrugen die Einreisegebühren dann plötzlich nur mehr ein Zehntel und so planten wir die erste Vintage Volkswagen Challenge für den Sommer 2009.

Zunächst war mir nicht klar, wie viele Gleichgesinnte ich finden würde, die dieses Abenteuer mitmachen würden. Die Idee an sich konkretisierte sich mehr und mehr. Unter dem Motto „Nerven wie Bremsseile“ hatten Heinrich und ich die Spezifikationen der zugelassenen Käfer zunächst auf Standard-

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versionen mit mindestens Ovalfenster festgelegt. Brezel waren natürlich ebenfalls zugelassen und ich hatte mich recht schnell für meinen 49er Standardbrezel als „mein  Fahrzeug“ entschieden. Heinrich hatte seinen 54er Ovali und so waren wir nun schon mal zwei Fahrzeuge. Die Idee war aber, dass wir in einem Konvoi von drei bis fünf VW-Käfer fahren, denn wir wollten auch eine gewisse kritische Masse an Fahrzeugen haben. Von Anfang an dachten wir daran, mindestens ein Servicefahrzeug mitzunehmen.

Mehr oder weniger zufällig kamen weitere Mitfahrer dazu, von denen wir eigentlich gar nicht ausgegangen waren. Bei einem Familientreffen fing Roland Weikert plötzlich Feuer und – obwohl er kein VW Fan war – fand er die Idee spitzenmäßig. Mit Roland als einem erfahrenen Tropenarzt im Team konnten die Bedenken  meiner Frau zerstreut werden. Kurz darauf meldete sich Rolands Neffe Thomas, der auch unbedingt mitfahren wollte. Da er polnisch sprach, war dies eine willkommene Bereicherung.

Bernd Boesenberg, Rainer Diehl und Michael Eckart waren allesamt Porsche 356 Kunden von Heinrich und kamen über diese Schiene dazu. Waldemar Kolodziej, Bjarne Roscher und Bernd Ohnesorge kamen als  langjährige Siemenskollegen und Freunde von mir dazu. Bjarnes Bruder Sigurd meldete sich dann auch noch an und wurde letztlich unser Kameramann und Internet-spezialist.

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Alexander und Stephen Appleton – unsere beiden Engländer – meldeten sich über Bernd Boesenberg dazu und zu guter Letzt brauchten wir noch einen Fahrer für unseren Tiguan und so fanden wir Claus Walter, der zwar bei der Abfahrt gewisse Startschwierigkeiten hatte, da er nicht verstand, dass man bei diesem neumodischen Auto angeschnallt sein muss, um die Handbremse lösen zu können, uns aber ein sehr willkommener und beliebter Mitfahrer wurde.

Und dann begleitete uns noch unsere technische Seele Egon Ziebold, abgeordnet vom Volkswagenwerk mit dem T5 Bus als Servicefahrzeug ausgestattet mit vielen Ersatzteilen. Egon ging uns immer fachmännisch zur Hand, wenn es etwas zu reparieren gab.

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Die Route wird festgelegt

Schon lange bevor das endgültige Team feststand, hatte ich mir zusammen mit Heinrich Gedanken über die Strecke gemacht. Als erstes wurde die Richtung festgelegt und diese sollte die West-Ost Richtung sein. Ich wollte einfach sozusagen mit dem VW Käfer ins Büro fahren. Des Weiteren wurde die Durchquerung der Mongolei und damit der Wüste Gobi als fester Bestandteil eingeplant. Länger wurde diskutiert, ob wir durch Weißrussland fahren oder die etwas nördlichere Strecke über Litauen und Lettland direkt nach Russland wählen sollten. Wir entschieden uns für Litauen und Lettland, um eine Grenzüberquerung zu sparen. Dass sich dies letztlich wahrscheinlich als eher problematisch herausstellen würde, konnte keiner voraussehen. Auch wollte ich die Stadt Jekaterinburg auf der Route haben, von der ich schon viel Gutes gehört hatte und in der die letzte Zarenfamilie hingerichtet worden war. Dadurch mussten wir den Ural etwas nördlicher überqueren und von Kazan in Richtung Perm fahren.

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Letztlich haben wir uns sehr exakt an den ursprünglich festgelegten Streckenverlauf gehalten. Um verlorene Zeit wieder hereinzuholen, wurden einige Zwischenstops weggelassen bzw. verkürzt.

Die Strecke führte quer durch Polen, Litauen und Lettland nach Russland, das Land, in dem wir die meiste Zeit der Reise verbrachten, dann durch die Mongolei nach China. Wir fuhren in Deutschland bis zur Grenze auf sehr gut ausgebauten Autobahnen, das Gleiche erlebten wir dann erst wieder in China, ebenfalls ab der Grenze. Zwischendrin fanden wir sehr variable Straßenverhältnisse vor, die das Salz in der Suppe für solch eine Fahrt sind. Davon werde ich später mehr berichten.

 

Der historische Vorgänger

Am 27. Mai 1942 starteten von Berlin aus zwei Brezelkäfer und mehrere Begleitfahrzeuge in Richtung Osten. Das Ziel war Kabul in Afghanistan. Die beiden Brezelkäfer waren speziell auf die lange Fahrt vorbereitet: Es handelte sich um die hochbeinige Ausführung Typ 82 E modifiziert mit speziellen Lüftungsgittern zwischen Motorraum und Fahrgastraum bzw. etlichen Anbauteilen. Beide hatten Dachgepäckständer, interessanterweise einer die gerundete Form und einer die gerade Form.

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Der Konvoi benötigte vier Wochen für die Fahrt von Berlin über den Balkan ans Schwarze Meer, dann weiter durch die Türkei und den Iran nach Afghanistan. Es war Kriegszeit und kurz nach der Durchfahrt des Konvois durch den Iran (damals Persien) besetzten englische und russische Truppen das Land und der Rückweg war abgeschnitten. Diese Expedition im Jahre 1942 war bis vor Kurzem unseres Wissens nach die längste Fahrt von Brezelkäfern bis die Vintage-Volkswagen-Challenge von Erlangen nach Peking in China aufbrach, die 11000 km in der gleichen Zeit zu überwinden. Der älteste Käfer der Vintage Volkswagen Challenge war nur sieben Jahre jünger als die Afghanistan-Käfer, aber im Unterschied zur historischen Parallele eben schon 60 Jahre alt!

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 Einen großen Unterschied gab es zwischen der Afghanistanfahrt und unserer Challenge: Unsere Käfer traten in Containern verstaut die Heimreise per Schiff von China nach Deutschland an, die beiden Afghanistan-Käfer wurden – soweit dies bekannt ist – in Kabul verschrottet, damit sie letztlich nicht in die Hände der Feinde fielen.

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Die Schwierigkeiten, mit denen die Afghanistan-Fahrer 1942 zu kämpfen hatten, zeigten viele Parallelen zu unserer Durchquerung der Wüste Gobi: Ab und an vom Staub verstopfte Luftfilter bzw. Vergaser wurden auch schon 1942 berichtet.

 

Die fünf VW - Käfer und die Teams

Ursprünglich hatte Heinrich vor, neben seinen grauen 54er  seinen mittelblauen 56er Ovali auf die Reise mitzunehmen. Doch kurz vor der Abfahrt, genauer gesagt neun Tage davor, sprang Heinrich aus persönlichen Gründen ab.

So kamen wir kurz vor Abfahrt in die Situation, dass wir mindestens einen weiteren Käfer für die mittlerweile 14 Teilnehmer brauchten.

Nach kurzem Nachdenken stellte ich meinen 52er Karmann Cabrio zur Verfügung, der zwar kein Standard war, aber dennoch ein zuverlässiges Fahrzeug. Bernd und Rainer kümmerten sich dankenswerterweise in meiner Abwesenheit um die Überarbeitung der Bremsanlage und die nötige TÜV-Abnahme. Jetzt fuhren also drei meiner fünf Käfer auf die Vintage Volkswagen Challenge nach China.

Bernd Ohnesorge und Michael Eckart zeigten sich sehr entzückt, als ich Ihnen das Cabrio anbot und sie sollten dies auch nicht bereuen, denn letztlich erregte das Cabrio natürlich auf der ganzen Fahrt das größte Aufsehen, vor allem beim weiblichen Teil der Erdbevölkerung.

Die nötigen Ersatzteile zum Mitnehmen bekamen wir von VW Classic-Parts, von Heinrich und andere kauften wir so zu. Egon kürzte die Ersatzteilliste etwas, was sich leider später rächen sollte. Aber alles hat auch seine guten Seiten und das zeigte sich dann auch im Laufe der Fahrt.

Das Team 1 auf dem 49er Standardbrezel

Mein grauer Standardbrezel vom Juli 1949 hatte die Ehre, als ältestes Fahrzeug der Vintage Volkswagen Challenge mitzufahren. Mit seinen 60 Jahren feierte er dieses Jahr genauso Geburtstag wie die Volksrepublik China und die Bundesrepublik Deutschland.

Der Brezel hat eine interessante Vergangenheit, die mir in den wichtigsten Zügen bekannt ist. Verkauft wurde er im Jahr 1949 als einer der ersten Volkswagen vom neu gegründeten Volkswagenhändler Zinkl in meiner Heimatstadt Amberg. Der erste Besitzer war ein Arzt aus Schnaittenbach, mit dessen Sohn ich noch im Kontakt bin und der mir auch alte Fotos zur Verfügung gestellt hat.  Der Käfer machte in den frühen 50er Jahren einige Fahrten nach Italien. Es soll sich damals folgendes Ereignis zugetragen haben: Als der fast wehrmachtsgraue Käfer durch ein nord-italienisches Dorf fuhr, bekreuzigte sich eine ältere italienische Mama am Straßenrand mit den Ausruf: „Oh Gott, die Deutschen kommen wieder!“. Dies ist uns in Polen und Russland nicht passiert, denn die vielen Sponsoraufkleber gaben den 49er Käfer doch eindeutig als Rallyefahrzeug zu erkennen.

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Der Käfer ist in einem hervorragenden Originalzu-stand mit einiger Patina, matching numbers und er sitzt interessanterweise auf einem Fahrgestell aus dem Jahre 1947, da scheinbar in den ersten Jahren seines Lebens ein massiver Unfall zum Tausch des Fahrgestells führte. Die originale Fahrgestell-nummer wurde beibehalten. Der Käfer hat auch noch den alten kleinen Tank und andere Details, die ihn für Kenner sehr interessant machen.

Im Jahre 1984 wurde der Käfer von dem mittlerweile recht etablierten Autohaus Zinkl aus historischen Gründen wieder zurückgekauft und verbrachte in der Ausstellung für Gebrauchtwagen ein einsames und unbeachtetes Dasein am Rande der schicken und neuen Verkaufsmodelle. Bis ich selbst auf das Fahrzeug aufmerksam wurde, mir Anfang 2005 ein Herz nahm und wegen eines Verkaufes nachfragte. Nach längerer Diskussion einigten sich der Besitzer und ich auf einen angemessenen Preis und der Käfer wechselte seinen Standort von Amberg nach Erlangen. Er war damals der dritte VW Käfer in meiner Sammlung.

Für die Fahrt nach China wurde der Wagen natürlich komplett überholt, blieb aber im Originalzustand mit 24,5 PS, Seilzugbremsen und dem unsynchronisierten Getriebe. Auch behielt ich die alte Vorderachse mit den kurzen Stossdämpfern und die Hebelstossdämpfer an den Hinterrädern bei. Das sollte mir dann später auf der Reise, vor allem auf den mit Querrillen gespickten Sandpisten  der Wüste Gobi große seelische Schwierigkeiten bereiten.

Meinen Beifahrer, Waldemar Kolodziej kannte ich schon lange Jahre, war er doch bis vor kurzem mein Mitarbeiter in China. Außerdem hatte er Russlanderfahrung und sprach auch etwas Russisch, was sich als extrem wichtig herausstellen sollte.

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Wir waren ein gutes Team, Waldemar hatte immer etwas zu essen parat und fütterte mich beim Fahren ab, wenn wir mal wieder bis spät in die Nacht unterwegs waren. Waldemar fuhr den Käfer nach anfänglich doch etwas starker Geräuschentwicklung beim Schalten im Laufe der Reise immer besser. Dennoch konnte ich bei den sehr schwierigen Passagen die Rolle des Beifahrers nur sehr schwer spielen, so dass ich zum Beispiel in der Wüste Gobi den ganzen Tag am Steuer saß. Unser 49er hat mit Sicherheit das meiste mitmachen müssen, er war das Leitfahrzeug für den größten Teil der Strecke und hatte natürlich auch einige Pannen. Davon wird später die Rede sein. Aber alles in allem hat sich der kleine Wagen tapfer geschlagen. Welches Auto von heute würde wohl in 60 Jahren noch so eine Strecke überwinden? Ich hatte den Wagen auch mit einem Dachständer ausgestattet, um einen Wasser-Kanister, ein Ersatzrad und mein Zelt aufzunehmen. Trotz dieser Zusatzbelastung fuhr er sich gut und hatte einen vernünftigen Durchzug, dem oft die anderen Ovalis und 30 PS Käfer nur schwer hinterherkamen.

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Das Team 2 auf dem 53er Standardbrezel im Lufthansa-Look

Das zweite Fahrzeug aus meiner Sammlung war ein 53er Standard-Ovali mit 24,5 PS, den ich eigens wegen der Rallye gekauft hatte. Zumindest hatte ich mir das eingeredet. Der Käfer war in seinem früheren Leben ein Behördenfahrzeug beim Vermessungsamt Freising und ich hatte diesen Wagen Ende 2007 übernommen. Er ist absolut rostfrei und un- geschweißt und hatte natürlich auch eine komplette Überholung erfahren. Der Motor wurde auf Basis eines Motorblocks mit nahezu passender Nummer komplett und original von Heinrich Kraus wieder aufgebaut. Dies bewährte sich während der Fahrt, denn außer eines defekten Zünd-/Lenkrad-schlosses hatte der 53er auf der ganzen Fahrt keine Probleme, mal abgesehen von einem Platten.

Der Käfer wurde als Lufthansa-Käfer dekoriert, um unseren Sponsor entsprechend zu positionieren. Das Retrodesign stand dem kleinen dunkelblauen Wagen sehr gut.

Gefahren wurde der 53er von Bjarne Roscher und Roland Weikert. Roland war unser Arzt für alle Fälle und natürlich traten diese Fälle auch ein. Bjarne entwickelte sich im Laufe der Fahrt zum zweiten Kameramann.

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Der Lufthansakäfer erregte neben dem Cabrio das meiste Aufsehen, denn er sah wirklich gut aus. Das dunkle Blau und der originale, wunderschön geschwungene Dachgepäckständer versahen ihn mit einer sehr edlen Optik. Der Retrodesign Schriftzug tat ein Übriges.

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Das Team 3 im Brezel-Cabrio aus dem Jahre 1952

Das dritte Auto aus meiner Sammlung war wie bereits erwähnt ursprünglich nicht geplant, musste aber wegen der Absage von Heinrich Kraus und dem damit verbundenen  Ausfall von zwei Ovalis einspringen. Das haben wir alle, vor allen die beiden Fahrer – nicht bereut. Überall, wo wir auftauchten, erregte das Cabrio das meiste Interesse, vor allem bei der weiblichen Bevölkerung. Da konnte ein 49er Standard mit kleinem Tank nicht dagegen „anstinken“. Der Wagen selbst ist seit 2003 in meiner Sammlung und ich habe das Auto über Ebay gekauft. Die Substanz ist nicht wirklich gut und eigentlich bräuchte das Cabrio eine Komplettreno-vierung. Da es aber technisch und optisch in gutem Zustand ist, fährt und viel Spaß macht, lasse ich es im Moment in diesem Zustand. Michael war als Gruppen-Psychologe vorgesehen, hatte in dieser Beziehung zumindest während der Fahrt wenig zu tun.

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Nur einmal kam es zu einem Eklat, der dann doch sein Mitwirken nötig machte. Bernd, der in China das Siemens Healthcare-Geschäft leitet und den ich schon viele Jahre kenne, gestand mir bei der zweiten Ausfahrt vor unserer Rallye, dass er noch nie einen Käfer gefahren hätte. Das behielt ich dann doch für mich und erzählte es dem Team nicht weiter. Inwieweit diese Tatsache dem Cabriogetriebe zu schaffen machte, bleibt erstmal im Alugehäuse des Brezelgetriebes verborgen, bis der Heinrich dann dieses einmal überholen wird. Beide verstanden sich auf Anhieb sehr gut. Auf der Strecke sah man sie immer wieder das Verdeck auf- und wieder zumachen. Den Solariumeffekt habe ich mir im Rahmen der Nutzungsgebühr übrigens nicht erstatten lassen. Neben der Tatsache, dass die

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160 Watt Lichtmaschine des Cabrios bei Fahrt mit dem Abblendlicht scheinbar die Batterie nicht mehr laden konnte und einigen Hustern wegen „Überstaubung“ des Vergasers in der Wüste Gobi zuckelte der Wagen mit dem 30 PS Motor munter vor sich hin (der originale 24,5 PS Motor liegt in meiner Garage zuhause!) und wir hatten nur einmal eine größere Reparatur zwischen Irkutsk und Ulan Ude.

Das Team 4 im Standard Ovali von 1956

Die weiteren beiden Teams hatten sich vorab jeweils einen Standard Ovali gekauft, den sie für die Fahrt nutzten. Der Käfer von Team 4 war ein recht gut erhaltener und restaurierter Ovali aus dem Jahr 1956, den Bernd Boesenberg aus Baden-Württemberg von einem Polizisten gekauft hatte. Der Wagen bekam für die Fahrt dann Sonderausstattung wie z.B. gut gepolsterte Recaro-Sitze, Sicherheitsgurte, Tag-licht mit LEDs und die Rücksitzbank wurde entfernt und dafür eine Ladefläche eingelegt. Wir hatten ur-sprünglich auf Originalität wert gelegt. Ich wollte mich aber zu diesem Punkt vor der Reise nicht zu deutlich äußern.  Es wurde uns allen während der Fahrt klar, dass Volkswagen die vielen Verbesserungen vor allem in der Anfangszeit des Käfers sehr wohl sinnfällig implementiert hatte, denn sowohl im Fahrkomfort als auch in der Zuverlässigkeit merkte man jedes Jahr Unterschied. So hatte der Ovali des Teams 4 neben ab und zu einer leeren Batterie  keine Probleme während der ganzen Fahrt. Bernd war im Vorfeld für die genaue Strecken-planung zuständig und die Interfaceperson für die Reiseagentur in der Mongolei. Rainer hatte ich gebeten, in Deutschland vor der Reise die Presseaktivitäten zu managen und das gelang ihm durch seine Kontakte in Erlangen und Nürnberg außerordentlich gut.

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Während der Reise waren Bernd und Rainer immer gut für eine Pinkelpause und Bernd plädierte stets für ein sehr zeitiges Abfahren vom Hotel am Morgen, da man ja nie weiß, „was einen noch erwarten wird“. Da hatte er einige Male sehr Recht, konnte sich aber in Sachen Abfahrtszeit nicht immer durchsetzen.

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Das Team 5 im Standard Ovali von 1954

Der Käfer des Teams Appleton war ein etwas oberflächlich restaurierter Ovali aus dem Jahr 1954, den Bernd Boesenberg von einem bekannten VW Käfersammler für Steve gekauft hatte. Steve hatte relativ wenig Erfahrung mit Volkswagen, ist aber wie Bernd, Rainer und Claus ein leidenschaftlicher Porsche-fahrer.

Stephen und Alex Appleton kamen über Bernd Boesenberg als letztes Team dazu.  Alex hatte die Fahrt als Abiturgeschenk bekommen und so fuhren Vater und Sohn die Strecke von Erlangen nach

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Peking mit. Der Ovali hielt sehr gut durch und hatte von allen Autos die wenigsten Probleme. Ab und an gab es Ausrufe wie „wo sind denn die Appletons“ oder ähnliches, wenn mal wieder Probleme auftauchten, weil die Autobahnbillets zum Bezahlen an der Mautstation fehlten. Alex unterhielt uns in den Pausen immer wieder mit gewagten Turner-Kunststücken.

Das Service-Team 1 im T5 VW Kastenwagen

Volkswagen stellte uns als Hauptsponsor zwei neue Servicefahrzeuge bereit, einen T5 Kastenwagen und einen Tiguan. Egon Ziebold sollte als Servicefachmann vom VW-Werk den T5 fahren und uns im Falle von Problemen auch entsprechend helfen. Dazu hatte er im Laufe der Reise auch jede Menge Möglich-keiten. Mit im T5 fuhr Thomas Weikert, neben Alex der zweite Youngster im Team. Egon und Thomas wurden durch den unfreiwilligen Aufenthalt im Zoll an der lettisch-russischen Grenze als Team zusammengeschweißt. Zwischenzeitlich musste Thomas unserem russischen Begleiter Sascha weichen,  der uns vom Russischen Zoll an die Seite gestellt wurde, um den T5 sicher durch Russland zu geleiten. Der T5 war übervoll beladen mit Ersatzteilen, zwei kompletten Ersatzmotoren, einem Ersatzgetriebe, Kanistern, Koffern und allerlei zusätzlicher Gebrauchsgegenständen. Er war ein sehr zuverlässiges Fahrzeug und blieb nur einmal im Sand der

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Wüste Gobi stecken. Egon hatte wahrscheinlich mit dieser Reise ein Erlebnis, das seines Gleichen sucht. Er hat viel repariert, war stets zuvorkommend und hilfsbereit und immer als erster am Morgen an den Autos. 

Das Service-Team 2 im VW Tiguan

Den Tiguan fuhr Claus Walter, der den Wagen auch am liebsten wieder die Strecke zurückgefahren wäre, da er so große Flugangst hatte. Der Tiguan begleitete uns als Kamerafahrzeug und deshalb fuhr dort auch Sigurd Roscher mit. Die beiden waren ein buntes Team und in ihrer Art beide Pfundskerle. Vor allem Claus, den ich vorher überhaupt nicht kannte, lernte ich als Zupacker und Stimmungsmacher kennen, der mit seinem fränkischen Dialekt sofort in Kontakt trat und sich oft mit Einheimi-schen „unterhielt“, ohne dass man gegenseitig ein Wort verstand.

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Sigurd sah man meistens nur mit Kamera in der Hand oder am Straßenrand hinter seinem Dreibein stehend und uns in der Vorbeifahrt filmen. Wir sind schon alle auf seinen Dokumentarfilm gespannt. Thomas war der Womenizer im Team und hatte zumindest bis fast vor Moskau überall seine „Bekannten“. Er konnte als Assistent für Roland bei den diversen Einsätzen im Verletzungsfall seine bereits hinter sich gebrachten Medizinsemester gut einsetzen.

 

Die Vorbereitungen zur Abreise

Obwohl die Vorbereitungen auf die Vintage Volkswagen Challenge von meiner Seite schon drei Jahre liefen, begann die heiße Phase mit dem Jahresbeginn 2009. Dann standen die Teams soweit fest, die Visa und Agenturaktivi-täten kamen in die entscheidende Phase. Jeder Teilnehmer musste einen Grundbetrag auf das neu eingerichtete Gemeinschafts-konto einzahlen und ich hatte in China die Einreiseagentur aktiviert. Um das Team besser zusammenzuschweißen und ganz einfach zum Kennenlernen machten wir zwei Ausfahrten in die Umgebung Erlangens. Schon bereits damals erregten die Käfer Aufsehen. Zu diesen Ausfahrten waren es ja noch sechs, Heinrich war noch als volles Teammitglied dabei.

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Während bei der ersten Ausfahrt nach Dietzhof das Wetter nicht mitspielte und wir in einen Platzregen gigantischen Ausmaßes kamen, fand die zweite Ausfahrt in herrlichem Sonnenschein statt. Bei der dritten Kurzausfahrt zum gemeinsamen Abend-essen zwei Wochen vor Abfahrt wurden dann bereits die Rallyeschilder und Sponsoraufkleber verteilt. Das Abenteuer rückte immer näher und wir freuten uns alle riesig darauf.

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In den letzten Tagen vor der Abreise wurde es nochmals sehr hektisch, da ja Heinrich Kraus plötzlich absprang. Ich habe dann kurzerhand das 52er Cabrio zur Verfügung gestellt. Das Starttor für die Abfahrt sponsorte die Messe Nürnberg und Wolfgang Heinrich, ein Bekannter von Bernd und Rainer erklärte sich bereit, die Abfahrtsfeier am Schlossplatz in Erlangen zu moderieren. Der Oberbürger-meister von Erlangen, Dr. Balleis hatte sein Kommen zugesagt und wollte uns auf die weite Reise schicken.

Jedes Team bereitete sich vor und sprach Details der Beladung ab. Am Tag vor der Abreise kam noch der Bayerische Rundfunk zu mir nach Hause, um die letzten Vorbereitungen zu filmen. Rainer und ich waren dann noch in den Abendschaustudios und bei Radio Gong in Nürnberg, um Interviews zu geben.

Die letzte Nacht vor der Abfahrt schlief ich nicht besonders gut und ich hatte ein flaues Gefühl: Würde meine verrückte Idee klappen und würde ich die 14 Teilnehmer der Vintage Volkswagen Challenge gut nach Peking bringen. Mir wurde schon etwas mulmig, aber am Morgen des 30. Juli war ich mir sicher: Das schaffen wir, komme was da wolle. Und so freute ich mich schon auf die kommenden Erlebnisse, ohne zu ahnen, was dann wirklich auf uns zukam.

 

Die Abfahrt in Erlangen am 30. Juli

Das Wetter war gut vorhergesagt und ich stand schon sehr früh auf, denn das BR Fernsehen hatte sich angemeldet, mich in meinem Käfer von zuhause bis zum Schlossplatz zu begleiten. Die Koffer und die Fotoausrüstung wurden im Brezelkäfer verstaut und die allerletzten Checks gemacht. Alles war in Ordnung. Der 49er sprang an wie eine Eins und ratterte vor sich hin, als der Kameramann meine Abfahrt filmte und dann auch noch auf den Beifahrersitz Platz nahm. Am Schlossplatz angekommen stellte ich meinen 49er vor dem Starttor ab. Einige wenige Passanten waren zu so früher Stunde unterwegs und wunderten sich über das Tor und den uralten Käfer.
Nach und nach kamen die anderen Teams an und viele interessierte Menschen sammelten sich am Schlossplatz an. Es entstand ein richtiges Gedränge und es war bewegend, viele unserer Freunde, Verwandte und Bekannte sowohl aus Deutschland als auch aus China als Gäste begrüßen zu dürfen.

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Wolfgang Heinrich von der Messe Nürnberg moderierte die ganze Veranstaltung, interviewte mich und die Teammitglieder. Kurz vor 9.00 Uhr kam auch unser Erlanger Oberbürgermeister Dr. Siegfried Balleis dazu. In farbigen Ballons übergab er uns frische Erlanger Luft, denn er habe gehört, dass die Luft in Peking doch nicht so gut sei. Da hat er Recht!

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Es wurde viel fotografiert und gefilmt. Gefreut habe ich mich auch über meine ehemalige Sekretärin Waltraud Wägner, die mit zwei weiteren früheren Mitarbeitern aus Forchheim ein Toi – Toi – Toi Trio darstellten und mich herzlich verabschiedeten. Es hielten sich bestimmt 300 Menschen am Platz auf, als wir kurz nach neun Uhr die Motoren anließen und unter kräftigem Jubel der Gäste und vielen guten Wünschen der Menge und mit dem Schwenken der Deutschlandfahne von Herrn Dr. Balleis auf die Reise geschickt wurden. 11000 km lagen nun vor uns, eine lange Strecke voller Abenteuer und Überraschungen. Es sollte ein Erlebnis der besonderen Art werden, eines, welches keiner der Teilnehmer mehr vergessen würde.

Eine kleine Anekdote ereignete sich bereits am Schlossplatz: Claus sollte als letzter mit dem Tiguan losfahren, alle Käfer waren schon in der Hauptstrasse, aber  die Handbremse am Tiguan ließ sich nicht lösen! Es wurde schon langsam peinlich für ihn, denn ca. 300 Schaulustige sahen zu, wie er ratlos mit hochrotem Kopf hinter dem Steuer saß und einfach nicht loskam. Irgendwann wurde ihm dann klar, dass sich die Handbremse nicht lösen ließ, da er nicht angeschnallt war. Schöne neue und automatisierte Autowelt!

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Der erste Abschnitt von Erlangen nach Moskau

Tag 1:  Erlangen - Breslau

Frohen Mutes fuhren wir nach einer kurzen Wartezeit wegen Claus zügig los, verfolgt von zwei Kamerawagen des BR und SAT1. In Möhrendorf ging es dann auf die Autobahn in Richtung Bamberg. Kurz hinter Forchheim ließen wir den Kameramann, der ab Erlangen als Mitfahrer filmte, aus dem Cabrio aussteigen. Die beiden Kameraautos fuhren noch einige Kilometer neben uns her und dann waren wir alleine mit unserem Konvoi in Richtung Osten.

Kurz hinter dem Bamberger Kreuz fehlte plötzlich der Appleton-Käfer. Wie sich herausstellte, hatte er das hintere Rallyeschild verloren. Ja, auch selbstsichernde Schrauben muss man anziehen! Das war sozusagen einer der ersten „Appletons“. Es sollten noch einige folgen ...

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Nach ca. 150 km Fahrt merkte ich ein Stocken bei Unter-Last-Fahrten an meinem 49er und wir fuhren an den nächsten Parkplatz raus. Egon checkte gleich mal das Ventilspiel und stellte die Zündung etwas später ein, dann ging es weiter. Über die Autobahn nach Hof und dann Richtung Osten nach Dresden, Görlitz und Polen. Es lief sehr gut und wir erreichten nach ca.  sechs Stunden Fahrt die  erste Grenze unserer Reise. Wie wir erst später feststellen durften, war dies gar keine Grenze, denn innerhalb der EU ist alles wie im Paradies. Diejenigen, die noch nie ein Auto außerhalb der EU Grenzen verbringen wollten, kennen keine echten Grenzen!

Nach der polnischen Grenze hörte die Autobahn schlagartig auf und wir mussten uns auf der Landstrasse fast 100 km weiterquälen, die mittlere Geschwindigkeit reduzierte sich merklich.

Die Landschaft entschädigte uns immer wieder für die Staus bei den Ortsdurchfahrten und so erreichten wir nach der Fahrt durch das schöne Oberschlesien und mit Blick auf das Riesengebirge, zuletzt auf einer gut ausgebauten Autobahn, ohne weitere Probleme gegen 19.00 Uhr den Stadtrand von Breslau.

Bei der Einfahrt nach Breslau dann auch gleich Probleme beim Konvoifahren, weil Bernd und Rainer kurzerhand ausscherten (sie hatten ein leicht anderes Navigationssystem und glaubten uns als Führungsfahrzeug nicht mehr!). Dies führte zu einem Abriss der Kolonne, denn der Tiguan und der T5 wussten nicht mehr wohin. Als ich mit zwei weiteren Käfern am Hotel ankam, waren Bernd und Rainer schon da und ganz stolz darauf, dass sie schneller waren. Nach einigen Minuten kamen die Begleitfahrzeuge, geleitet von einem freundlichen Taxifahrer, auch am Hotel an. Ich merkte schon bei dieser ersten Stadtfahrt, dass hier noch einiges auf mich zukommen würde. Und ich sollte Recht behalten.

Breslau zeigte sich mit seinen wunderschönen alten Marktplatz mit gut renovierten Häusern und vielen Cafes und Restaurants im Freien von seiner besten Seite. Wir hatten den Ratskeller reserviert und genossen das recht deutsche Essen und das lokale Bier.

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Am nächsten Morgen mussten wir früh abfahren, denn die zweite Etappe quer durch Polen nach Bialystok mit einem Zwischenstopp in Warschau konnte sehr lang werden.

Tag 2: Breslau - Bialystok

Wir wären zeitig weggekommen, wenn Steve Appleton seinen Parkhausausfahrtschein gefunden hätte, was er aber nicht tat. So winkte er uns aus dem 4. Stock des Parkhauses zu, als wir alle schon unten standen und warteten. Nachdem er sich an der Hotellobby einen neuen geholt hatte, ging es los. Es war gegen 8 Uhr morgens.

Die Fahrt führte uns in nordöstlicher Richtung nach Warschau, wo wir Jacek Krajewski in seiner Werkstatt besuchen wollten. Ich hatte mich mit Jacek vorher per E-Mail abgesprochen und er erwartete uns. Die Fahrt bis Warschau verlief recht zügig und so kamen wir gegen 14 Uhr in Warschau am Ring an. Wir steuerten erst gar nicht ins Zentrum, sondern umfuhren dieses, um direkt zu Jacek zu gelangen. Kurz vor dem Ziel eine Pinkelpause, die ich in freudiger Erwartung auf uralte Käfer und Schwimmwagen schon fast vergessen hätte. Nachher erfuhr ich, dass es bei dem einen oder anderen am Warschauer Ring blasen-technisch schon sehr knapp wurde.

Die Werkstatt von Jacek war ein Erlebnis der besonderen Art. Nicht erwartet hatte ich zum einen das Äußere: Ein architektonisch sehr interessantes Gebäude und innen eine Werkstatt peinlichst sauber und aufgeräumt. Zu seinen Schätzen gehören der KdF und der Schwimmwagen, aber auch unzählige

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Ersatzteile und NOS (New old stock) in Vitrinen. Ich hätte noch lange bleiben können, aber die nicht ganz so Volkswagen begeisterten Teamkollegen mahnten zum Aufbruch, da wir ja noch ca. 200 km vor uns hatten, um unser Tagesziel Bialystok zu schaffen.

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Wir erreichten Bialystok gut vor Einbruch der Dunkelheit, fanden das Hotel Golebiewski schnell und nach dem Check-in gingen wir ins Zentrum der Stadt zum Abendessen. In dieser Stadt im Nordosten von Polen trieben die deutschen Besatzer im Jahr 1941 fast 3000 polnische Juden in eine Synagoge, sperrten ab und zündeten diese an, so dass alle 3000 Menschen grausam verbrennen mussten. Heute überzeugt die Stadt mit der wechselvollen Geschichte durch einen wunderbaren Marktplatz und einer sehr kulturorientierten Auf-machung.

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Am nächsten Morgen machte ich mit Bjarne einen Rundlauf um die Altstadt von Bialystok und es war schon ein beklemmendes Gefühl, an dem Stahlgerüst der abgebrannten Synagoge vorbeizulaufen, das neben dem Gedenkstein als Andenken liegen gelassen wurde. Beim Laufen bemerkte ich, dass es sehr schöne Fotoecken gab, die man nutzen sollte. Gesagt, getan und nach dem Frühstück machten wir uns mit unseren Käfern auf in die Altstadt zum Foto-Shooting. Sehr schön waren die Bilder vor dem Schlosstor auf dem Platz direkt vor dem Hauptgebäude vom Pałac Branickich.

Tag 3: Bialystok – Vilnius

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Nach dem Foto-Shooting ging es dann gegen 10.30 los in Richtung Litauen und Vilnius. Die Landschaft Nordostpolens ist herrlich, ich habe in meinem Leben noch nirgends so viele Störche gesehen. Die kleinen Seen eingebettet in eine leicht wellige Landschaft mit scheinbar sehr fruchtbaren Böden machte richtig Spaß.

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Der Übergang nach Litauen erfolgte ohne jegliche Grenzkontrollen und ich muss sagen, dass uns Litauen alle in den Bann gezogen hat. Etwa 120 km vor Vilnius warteten bereits zwei Mexiko-Käfer der Club-Mitglieder des VW Clubs Litauen auf uns und begleiteten unsere Fahrzeuge bis mitten auf den Marktplatz von Vilnius.
Ca. 40 km vor Vilnius hatte mein 49er dann den ersten Plattfuss am rechten Hinterrad. Das Ventil war scheinbar abgerissen. Erstaunlich gut ließ sich der Käfer aus relativ hoher Geschwindigkeit sicher zum Stillstand bringen. Der Schaden war innerhalb von 15 Minuten behoben.

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Schön und herzlich war der Empfang durch Arunas, den Präsidenten des VW Clubs, und die anderen Clubmitglieder so gegen 16.00 Uhr. Als wir ankamen standen bereits ca. 10 Käfer am Marktplatz. Höhepunkt war wieder ein KdF Typ 82e, den Arunas vor kurzem gegen einen VW 38 Prototyp von 1938 getauscht hatte, den er – wie er mir erzählte – ca. 70 km nördlich von Vilnius auf einem Schrottplatz gefunden hatte. An diesem Samstag bei sonnigem Sommerwetter hielten sich einige frisch vermählte Paare am Marktplatz auf und so wurde unser 52er Cabriolet kurzerhand als Hochzeitsauto für Foto-aufnahmen genutzt. Auch diverse  Brautjungfern liebten es, sich vor den Autos zu tummeln. Die Käferfreunde Litauen hatten extra für unseren Besuch schöne Aufkleber vorbereitet, die wir natürlich stolz nach China fuhren.

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Nach dem Hotel-Check-In gab es dann eine sehr interessante Stadtführung. Vilnius ist eine wunderschöne Stadt und ich werde sicher nochmals hierher zurückkommen. Dann hatten wir noch ein leckeres, lokal geprägtes Abendessen in einem der historischen Kellergewölbe an der „Deutschen Straße“. Nach einem kleinen Absacker am Marktplatz mussten wir dann relativ früh ins Bett.

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Tag 4: Vilnius - Russische Grenze

Am 2. August sind wir bereits um 6.00 Uhr morgens unterwegs in Richtung Lettland und dann zur russischen Grenze. Wir verließen gegen 10 Uhr Litauen, wobei bei der Durchfahrt leider unser Servicemobil 1 mit Egon an der sonst sehr unscheinbaren innereuropäischen Grenze festgehalten wurde: Lkws brauchen eine Vignette in Litauen, wenn keine vorhanden, dann wird eine Strafe von umgerechnet 800 Euro fällig. Ein „erklärendes“ Gespräch von Waldemar mit den beiden Grenzpolizisten führt dann aber überraschend zu einem Weiterwinken. Als kleines Geschenk überreiche ich den Grenzern jeweils einen unserer Modellkäfer von BUB.

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Lettland hat den Umstieg vom Sozialismus zur Marktwirtschaft bei Weitem noch nicht so gut geschafft wie Litauen. Lettland erscheint mir weit mehr zurück als Litauen. Nach ca. zwei Stunden Durchfahrt erreichen wir – wie geplant gegen 12.00 Uhr Mittag – die russische Grenze.
Es erwartet uns eine Lkw-Schlange gigantischen Ausmaßes und eine Pkw-Schlange, die auch unsere Erwartungen um Längen übertraf. Deutschsprechende Russen erklären uns, dass heute irgendwie gar nichts geht und dass wir mit ca. 12 Stunden Wartezeit rechnen müssen.
Wir glauben es zunächst nicht. Nun hieß es warten, denn die Abfertigung auf russischer Seite lief an diesen Tagen wirklich extrem langsam, angeblich laut lettischen Zöllnern nur 5-10 Autos pro Stunde!

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Also stellten wir uns auf eine lange Nacht ein, die es dann auch wurde. Wir versuchten, die Zeit durch Volleyballspielen, Kaffeekochen und ähnlichem zu verkürzen. Sehr nützlich waren die mitgebrachten Klappstühle und die Campingkocher.

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Gutmütig reihten wir uns also ein, dann gingen einige von uns vor, um die Lage abzuklären. Ein Russe riet uns, eine Sondergenehmigung zu erwirken, die es uns erlaubte, als Gruppe vorzufahren. Wir arbeiteten uns bis zu einem Dreisterne-Zöllner vor, hatten aber letztlich das nötige Fax nicht oder nicht vollständig, so dass wir uns wieder ganz brav am Ende der Schlange einreihen mussten.

Tag 5: Grenze nach Moskau

Letztlich hatten wir uns gegen 4 Uhr früh bis zum lettischen Teil der Grenze vorgearbeitet, dann standen wir wieder zwei Stunden an einem Schlagbaum, weil sich auf der russischen Seite immer noch alles staute. Der Morgen dämmerte herauf. Gegen 10 Uhr waren wir dann im Niemandsland an der russischen Grenzstation angekommen. Die Abfertigung der Käfer und des Tiguan verlief relativ schnell, d.h. ca. 2 Stunden Diskussionen und Formulare, in denen nichts durchgestrichen bzw. ausgebessert sein durfte. Unser T5 Servicefahrzeug kam aber nicht durch, weil im Carnet die russische Übersetzung fehlte. Diese brauchten wir entgegen der üblichen Gepflogenheit wegen der kurzfristigen handschriftlichen Änderungen besagter Liste eine Woche vor Abfahrt.

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Nachdem wir die Grenze passiert hatten, stärkten wir uns zunächst an der Grenzraststätte auf der russischen Seite und warteten auf den T5 Bus.  Gegen 14.00 Uhr entschieden wir uns nach Rücksprache mit Egon per Handy und Besprechung der gesamten Problematik im Team für die Weiterfahrt der fünf Käfer in Richtung Moskau, um am 3. August planmäßig noch Moskau zu erreichen. Sigurd und Claus sollten mit dem Tiguan auf der russischen Seite auf den T5 warten. Die Strecke von 650 km sollte in einem Stück gefahren werden. Egon und Thomas im T5 sollten, sobald die Grenze überwunden ist, zusammen mit dem Tiguan mit Claus und Sigurd dann nachfahren und uns einholen bzw. in Moskau treffen. Auf der Fahrt mit den fünf Käfern ohne Service T5 kam es dann auch gleich nach ca. 10 km zu einer ersten Panne mit dem Lufthansa-Ovali: Das Zündschloss am Lenkrad hatte eine Kontakt-Schwachstelle, die zum Absterben des Motors wegen fehlenden Zündstroms während der Fahrt führte. Sehr schnell konnten Bjarne und Rainer dieses Thema mit einer direkten Steckverbindung der beiden Kabel am Zündschloss lösen. Die Weiterfahrt verlief absolut reibungslos und wir erreichten noch bei Helligkeit das letzte autobahnähnlich ausgebaute Teilstück nach Moskau, was aus sicherheits-technischen Gründen wichtig war. Die Lkws auf den Landstrassen donnerten an uns vorbei, als wären die Schlaglöcher und Spurrillen auf der Strasse nicht existent. Mein Herz „blutete“ bei jedem Stoss dieser Löcher auf die Hebelstossdämpfer der Hinter-achse meines 49ers.

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Ich hatte ständigen Kontakt mit Egon, VW Russland und auch meinen Siemens Kollegen hier in Russland, die die fehlende Übersetzung des Carnets bewerkstelligen sollten. Aber, wie gesagt, wir erreichten alle die Hauptstadt Russlands und fielen nach einer kurzen Besprechung in der Lobbybar todmüde in unsere Betten. Die Nacht arbeitete natürlich gegen uns und so wachte ich am 4. August morgens im Bett des Kempinski Baltschug auf, ohne dass Egon und Thomas die Grenze bereits passiert hatten.
Das Hotel Kempinski Baltschug war einer unserer Sponsoren und beherbergte uns zu einem wirklich sehr reduziertem Übernachtungspreis. Auch durften wir unsere Käfer direkt vor dem Haupteingang parken, wo sie gut bewacht waren und das Aufsehen vieler Passanten erregten, auch eines gewissen Evgeni, von dem später noch die Rede sein wird.

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Tag 6: Moskau – Käfertreffen vor Uni!

Der Tag beginnt mit einer Krisenbesprechung beim Frühstück um 8.00 Uhr im Hotel Baltschug. Unser Servicewagen hing zu diesem Zeitpunkt immer noch im Zoll, obwohl sich am Vorabend bereits eine mögliche Lösung abgezeichnet hatte. Es wurden verschiedene Szenarien diskutiert, immer abhängig davon, wann Egon und Thomas mit dem T5 aus dem Zoll „entlassen“ würden. Letztlich wurde beschlossen, dass wir nur dann weiterfahren, wenn wir den Servicewagen aus dem Zoll bekommen oder aber eine adäquate Ersatzteilversorgung auf der Reststrecke gewährleistet werden kann, z.B. durch zeitnahes Nachsenden von Teilen und noch deutlich intensiverer Unterstützung des lokalen VW Netzes.
Am frühen Nachmittag kamen die Freunde vom Käfer-Club Moskau im Hotel vorbei, um uns abzuholen und mit uns im Konvoi zu einem Foto-Shooting vor der Lomonosov-Universität zu fahren. Es war  gar nicht so einfach, die nun recht lange Käferschlange zusammenzuhalten. Aber wir schafften es irgendwie alle zum vorgesehenen Platz. Dort kamen dann noch einige Käferfreunde mehr und Journalisten dazu.

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Der Vorsitzende des Moskauer Käferclubs Andrey und seine Freunde waren ein tolles Team, und man spürte die Begeisterung für unsere Fahrzeuge, aber auch die sehr liebevolle Pflege ihrer Clubfahrzeuge, die alle aus den 60er und 70er Jahren stammten.

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Nach intensiven Foto-Shootings und den üblichen Benzingesprächen machten wir uns wieder auf ins Hotel. Am Abend hatte uns Siemens Moskau zum Abendessen eingeladen und mein Freund Dietrich Möller, Leiter Siemens Russland, führte uns in ein typisch russisches Restaurant am Ufer der Moskwa aus. Nach dem Abendessen ließen wir es uns nicht entgehen, den roten Platz bei Nacht noch zu besuchen und uns bei lauen Temperaturen einen Drink zu gönnen.

Tag 7: Moskau und Technikmuseum

Bereits seit 5.30 morgens telefonierte ich mit Volkswagen China, um die nötigen Stempel der VAG für die Listen und die Vollmacht für Egon zu bekommen. Die VW Kollegen waren enorm hilfreich und der Zeitvorsprung war auch wichtig. So konnten alle nötigen Dokumente um 9.00 Uhr vormittags an die Zollbeamten an die Grenze gefaxt werden. Die Abwicklung verlief bei den Zollbeamten recht schleppend, die beiden Festsitzenden und auch Sigurd und Claus, die ja an der Grenze auf russischer Seite auf die beiden warteten, bekamen immer mehr psychische und körperliche Probleme. Die Situation zehrte an den Nerven. Abwechselnd telefonierten die Teamteilnehmer anteilneh-mend mit den „Festsitzenden“ und ich gab Egon, Thomas, Sigurd und Claus jedes Mal erneut den Fortschritt des Prozesses durch, denn dieser war für die Betroffenen nicht immer erkennbar.
Letztlich kamen die beiden dann am Abend so gegen 9.00 Uhr aus dem Zoll frei und wurden von da an von einem uniformierten und bewaff-neten Schutzmann begleitet, der darauf aufpassen sollte, dass die eingeführten Ersatzteile und Werkzeuge bis zur mongolischen Grenze komplett bleiben. Die Begleitung durch diese Person war die Lösung des Problems und kostete uns 2500 Euro (mit Quittung!). Ich habe mir schon überlegt, ob es vielleicht sogar eine gute Seite hatte: Denn nun hatten wir auch eine bewaffnete, perfekt russisch sprechende Begleitperson im Team.
Nach dem Frühstück fuhren wir (die zehn Teammitglieder, die bereits in Moskau waren) zu einem privaten Technikmuseum an der westlichen Stadtgrenze von Moskau, auf das wir durch unseren neuen Bekannten Evgeni aufmerksam wurden. Er kam auf uns zu, als er die VW Käfer vor dem Kempinski Baltschug Hotel sah und hatte Steve angesprochen. Er ermöglichte uns die Fotosession auf dem roten Platz, was eine absolute Show war. Dazu später.
Das Muzeu Technicki (Technikmuseum), in dem Evgeni auch einige seiner Oldtimer ausstellte, so z.B. Stalins gepanzerte Staatslimousine, war ein phantastisches Erlebnis. So viele hochwertige Oldtimer, Flugzeuge aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, Militärfahrzeuge dieser Epochen hatte ich noch nie gesehen. Wunderschöne Horch Wagen, Delahaye, Alfas und topp restaurierte Mercedes Benz Vorkriegswagen schmückten unter anderem die Autoausstellung. 

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Der Fokker Dreidecker, eine englische Hurricane, eine ME 109 und viele russische Propeller- und auch frühe Düsenmaschinen waren die Highlights der Flugzeugausstellung. Bei den Panzern waren Sherman, T35, deutsche Halbketten und viele weitere Raritäten zu sehen. Dann durften wir noch die Werkstätten besuchen (weil Evgeni uns begleitete). Alles da, Sattlerei, Schreinerei, Blechverarbeitung und natürlich Hebebühnen, topp aufgeräumt und nochmals voller Schätze. So wird dort im Moment der Grosse Offene Wagen Adolf Hitlers minuziös restauriert und wieder aufgebaut, dessen Reste in Russland in einer Scheune gefunden wurden. „In zwei Jahren ist er fertig, wie neu!“ sagte dazu Evgeni. Nach einem guten Mittagessen im integrierten und sehr stilvoll eingerichteten Restaurant drehten wir noch in einem Vorkriegs-Mercedes Cabrio einige Runden, um dann am Schluss durch die Militärfahrzeugausstellung zu schlendern, die im Freien steht.

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Zu guter Letzt wurde das ganze Team noch in einem russischen Panzerwagen aus dem zweiten Weltkrieg herumgefahren. Nach der Rückfahrt kam das Hightlight des Tages: Foto-Shooting am Roten Platz mit den fünf Käfern! Direkt vor den Kremlmauern.

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Dazu waren viele Sonderge-nehmigungen nötig. Das schwierigste war aber, die vielen Schaulustigen und Touristen von den Autos fernzuhalten, um schöne Fotos zu machen. Vor allem das schwarze Cabrio war enorm beliebt bei den jungen hübschen Russinnen.
Am Abend lud Evgeni mich und drei weitere Team-mitglieder zum Essen ein. Der Abend wurde lang und feuchtfröhlich. Das sei eben: „Russian Tradition“ sagte Evgeni. Das schönste am ganzen Abend war dann um 9.00 Uhr der Anruf von Egon: „Wir sind draußen (aus dem Zoll)“. Da schmeckte dann das sehr gute Essen gleich noch besser. Ich informierte sofort die Kollegen. Die Erleichterung im Team war groß. Die vier Nachzügler fuhren dann sofort nach Moskau los. Gegen 5 Uhr früh am 6. August erreichten sie müde, aber glücklich das Kempinski, wo die duftigen Betten und die heiss ersehnten Duschen schon auf sie warteten.

 

Der zweite Abschnitt von Moskau nach Irkutsk

Tag 8:  Moskau - Nishi Novgorod

In der Nacht um ca. 5 Uhr waren unsere beiden Begleitfahrzeuge gut und sicher in Moskau angekommen, so dass wir wie geplant im Laufe des Tages Moskau in Richtung Nishi Novgorod verlassen konnten.
Am Vormittag wurden noch alle fünf Käfer bei einem Moskowiter VW Händler abgeschmiert und auf der Hebebühne einer Sichtprüfung unterzogen. Alles war soweit in Ordnung, Bernd/Rainers Keilriemen wurde nach-gespannt und so bekamen die kompetenten Mitarbeiter der Werkstatt noch eine kleine Lektion in Technik der 50er Jahre.

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In der Zwischenzeit machte Waldemar mit den vier Neuankömmlingen noch eine Kurzstadtführung zum Roten Platz und den Hauptsehenswürdigkeiten Moskaus. Um 14.00 Uhr war dann die Abfahrt vom Kempinski, zur Erleichterung aller mit dem gesamten Konvoi von sieben Fahrzeugen, ab nun immer dabei: unser 15. Mann Sascha, der imposant mit einem Tarnanzug gekleidete und mit einem Colt bewaffnete Beschützer unserer Ersatzteile und Werkzeuge.

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Die Fahrt von Moskau nach Nishi Novgorod verlief ohne jegliche Probleme, entlang an farbigen Holzhäusern, nur die ersten 100 km waren geprägt von Stopp and Go bedingt durch die riesigen Rückstaus an den Ampeln in den Ortsdurchfahrten. Dies verringerte unsere Durchschnittsgeschwindigkeit dermaßen, dass wir erst bei Dunkelheit um ca. 23.00 Uhr in Nishi-Novgorod ankamen. Novgorod ist herrlich gelegen an der Mündung der Oka in die Wolga, unserem ersten Zusammentreffen mit dem längsten Fluss Europas.
Nishi Novgorod, oder besser bekannt als Gorki, war lange Jahre eine völlig verschlossen Stadt mit vielerlei Rüstungsindustrie. Kaum ein Ausländer verirrte sich in diese ansonsten recht interessante Stadt mit ihrem typischen Kreml.
Schnelles Einchecken war angesagt, um noch etwas Essbares zu finden. Das Hotel war gut gelegen, wir mussten nur die recht lange Brücke über die Oka überqueren und  gelangten so in die sehr schöne Altstadt. Dort fanden wir dann ein ganz nettes Restaurant, das uns auch noch um kurz nach zwölf sehr schmackhafte Cheeseburger servierte (nein, nicht McDonald oder Burger King!) und echtes Hacker-Pschorr Bier aus München anbot. Als sich nach dem Essen zwei etwas gut genährte und illustre Damen ungefragt an unseren Tisch setzten, waren vor allem unsere Youngster Thomas und Sigurd so sehr mit der Situation überfordert, dass wir mit der Bezahlung unserer Rechnung den geordneten Rückzug in unser Hotel einleiteten – ohne die beiden Damen!
Ach ja, von wegen Kontinentalklima mit warmen Sommern! In Novgorod war es empfindlich kalt, sicher nicht über 10 Grad, als wir so gegen 2 Uhr morgens über die Oka-Brücke zurück zum Hotel gingen, vorbei am Lenindenkmal, das morgen noch als Hintergrund für Fotoaufnahmen dienen würde.

Tag 9: Nishi Novgorod - Kazan

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Am Morgen nach dem Auschecken posierten wir mit unseren Käfern vor dem großen Lenin-Denkmal direkt neben unserem Hotel. Danach machten sich Waldemar und ich alleine auf den Weg zur lokalen VW Vertretung „Volkswagen Klaus“, um die von Moskau aus vorbestellten Schläuche 165×15 abzuholen und das platte Reserverad reparieren zu lassen. Das Problem war nur, dass die SMS mit der Adresse - warum auch immer - in zwei Teilen ankam und die Hausnummer „93“ exakt in der Mitte abgeschnitten war. Und am Lenina Prospekt „9“ gab es weit und breit keine VW Werkstatt. Also angerufen und wir wurden dann abgeholt und zu Hausnummer „93“ geleitet. Der kaputte Schlauch hatte ein ca. 3 cm großes Loch, die Lauffläche des Reifens war aber noch sehr gut. Die Werkstattmitarbeiter zeigten sich wie schon in Moskau  extrem zuvorkommend und kompetent. Nach ca. 15 Minuten war alles erledigt und da die Werkstatt in Richtung Kazan lag, riefen wir unsere Teamkollegen an, loszufahren und uns an der Werkstatt zu treffen. Die Anfahrt für die übrigen Teamkollegen war dann eine mittelgroße Managementaufgabe  und nach etwas mehr als 45 Minuten kamen die Käfer aus einer Richtung an, aus der wie sie nicht erwartet hatten.

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In der Zwischenzeit konnte ich noch einige interessante Einstellungen fotografieren und im Hinterhof der Werkstatt fand ich einen Vorkriegs-Opel mit gegossenem Stalinkopf am Kühlergrill.

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Gegen 12 Uhr Mittags brachen wir dann von der Geburtsstadt Maxim Gorkis (deshalb heißt Nowgorod auch Gorki und war nebenbei erwähnt der Verbannungsort des bekannten Regimekritikers und Physikers Andrei Sacharow) in Richtung Kazan auf. Die Fahrstrecke von ca. 450 km wurde in 7 Stunden ohne jegliche Probleme überwunden. Wunderschöne Landschaften, Wolkenbilder und Seen breiteten sich vor uns aus. Ein farbenfroher Regenbogen nach einem kurzen aber intensiven Regenguss begleitete uns über einige Kilometer unserer Fahrt. Wir sollten von dem Volkswagen-Club Kazan an der Einfallstrasse empfangen werden und dort stand dann auch der metallic-blaue VW Käfer 1302 und eine ganze Reihe von Golfs, um uns sogar mit einer Fahne zu begrüßen.

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Wir wurden in unser Hotel direkt im Stadtzentrum geleitet und nach dem Einchecken gingen wir gemeinsam Abendessen in die Bar „Cuba Libre“. Nach dem Essen - so gegen 12 Uhr Mitternacht - wurden wir dann noch in der Stadt herumgefahren, zum wunderschönen Kreml und zur Universität, an der der junge Lenin Student war.

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Kazan ist die Hauptstadt der autonomen Republik der Tataren und eine Stadt voller alter, großteils bereits sehr liebevoll restaurierter Gebäude, Kirchen und Moscheen. Uns alle zog die Stadt sehr in den Bann und wir bereuten es schon, nicht länger bleiben zu können. Ich nahm mir vor, am nächsten Morgen früh aufzustehen, um noch einige Fotos im Morgenlicht zu schießen und fiel um ca. 1 Uhr in mein Bett. Vor allem das Viertel um die alte und sehr bekannte Universität bot viele interessante Motive. Ich musste den Lufthansakäfer mitnehmen, denn mein 49er Brezel war vor dem Hotel völlig eingeparkt. Herrliche Kirchen und drei- bis vierstöckige Gründerzeit-häuser zeugten von einer reichen Vergangenheit und machten Lust auf einen längeren Aufenthalt.

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Tag 10: Kazan – Perm:

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Die Etappe von Kazan nach Perm mit ca. 720 km war eine der längsten der gesamten Strecke. Deshalb machten wir uns bereits um 8.00 Uhr auf den Weg. Trotz der Begleitung und Führung durch Albert und seinem 1302 Käfer dauerte es noch fast eine geschlagene Stunde, bis wir auf der Autobahn in Richtung Ufa und Perm waren (er verfuhr sich in seiner eigenen Heimatstadt!). Zunächst ging es gut voran. Nachdem wir aber die Hauptverkehrsader Richtung Ufa verlassen hatten und den Weg über die Ausläufer des Urals in Richtung Perm antraten, kamen immer wieder Abschnitte mit recht problematischen Spurrillen und Schlaglöchern. Es fing an zu regnen und es hatte vielleicht eben mal 10 Grad Celsius Außentemperatur. Wir waren vor der Strecke gewarnt worden, hatten sie aber dennoch gewählt, da wir nach Jekaterinburg kommen wollten. Ca. 300 km vor Perm wurden die Schlaglöcher immer größer und teilweise mussten wir auf das Bankett ausweichen, weil auf der Straße selbst kein Durchkommen war.

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Die Landschaft erinnerte mich sehr an den Bayerischen Wald, wir fuhren durch malerische Dörfer mit Blockhäusern und farbigen Fensterrahmen aus Holz. Die Gegend war sehr ärmlich, die Wälder unendlich.

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Bei der Ausfahrt aus der Tatarenrepublik kamen wir dann auch das erste Mal in den Genuss eine Polizeikontrolle. Der Polizist wollte immer „Strachovka“, ich gab ihm meinen Führerschein, Pass, Internationalen Führerschein und Fahrzeugschein. Aber er sagte nur immer, er wolle das eine. Also aussteigen und ins Büro. Dann kam mir die Idee, dass er die Versicherung haben möchte und ich gab ihm meine grüne Versicherungskarte, in der ja seit Neuem RUS für Russland eingetragen ist und – wie uns gesagt wurde – keine weitere Versicherung lokal mehr abgeschlossen werden musste. Das schien aber bis in die Tatarenrepublik noch nicht vorgedrungen zu sein. Er wollte die „Strachovka“ sehen. Unser Sascha versuchte auch, ihn zu überzeugen. Erst als er länger telefoniert hatte, schien er die Lektion gelernt zu haben und ließ uns anstandslos passieren, mit dem Gruß: Gute Fahrt (in gutem Deutsch!).

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Richtig schlimm wurde die Kälte im Auto. Meine Heizklappenzüge waren bekanntermaßen nicht angeschlossen, gleiches galt für das Cabrio. Ich saß im Auto mit Decke über dem Oberschenkel, Decke um den Rücken und zu allem Überfluss regnete es immer stärker und es wurde immer anstrengender zu fahren. Waldemar und ich wechselten uns ab, aber als diese Riesenschlaglöcher kamen, wollte ich mein Auto selbst lenken (zerstören!). In dieser Situation eine Panne wäre die Hölle für Egon und uns alle gewesen. Kalt, dunkel, Regen. Aber alles lief gut und nach sage uns schreibe 14,5 Stunden erreichten wir immer noch im Regen Perm, fuhren direkt zum Hotel und fielen nach einem kleinen Happen Essen beim Chinesen unter dröhnender Musik ins Bett.  Am darauffolgenden Tag wollten wir eine kleinere Etappe von knapp 400 km fahren, um dann Jekaterinburg zu erreichen und den Ural wieder zu verlassen.

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Tag 11: Perm nach Jekaterinburg

Ein relativ moderater Abschnitt von „nur“ knapp 400 km. Wir planten die Abfahrt um 10 Uhr, nachdem Egon bei unserem 49er und beim Cabrio die Heizungszüge provisorisch angeschlossen hatte. Eine weitere „Frostfahrt“ wollte keiner der Teams mehr über sicher ergehen lassen.

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Die Ausfahrt aus Perm erwies sich als einfach und wir hatten das „Vergnügen“ an uralten Fabrikanlagen vorbeizufahren, die vielleicht vor 50 Jahren der Stolz des russischen Arbeiter- und Bauernstaates waren, heute eher an einen Schrottplatz gigantischen Ausmaßes erinnern. Die Strecke führte über wunderschöne, leicht gewellte Landschaften, vorbei an schilfumrandeten Seen, die unter dem blauen Himmel glitzerten. Immer wieder machten wir kurze Stopps, die Fahrer zu wechseln und zu fotografieren.

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Der Verkehr war recht heftig und auf der Hälfte der Strecke erwischte es dann den Lufthansakäfer mit einem Platten.

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Egon behob diese kleine Panne schnell und so fuhren wir weiter durch malerische Dörfer und hatten auch etwas Zeit, einige Filmshots zu machen. Z.B. machten wir dann das Motiv „Käferkolonne bei Ortsdurchfahrt, ungeteert“. Wir konnten uns diese kleinen Eskapaden erlauben, weil die heutige Tagesstrecke verhältnismäßig kurz war und die Strassen gut.

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Unsere Fahrzeuge bekommen mehr und mehr das typische Rallye-Patina, vor allem durch die immer wieder einsetzenden Regenfälle und die damit verbundenen Pfützen erstaunlichen Ausmaßes. Diese wurden unter allen Umständen gemieden, denn man wußte nicht, welch großes Loch oder welch offener Kanaldeckel sich unter der schmutzigen Wasseroberfläche verbirgt und zu massiven Schäden führen könnte.

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Deshalb hieß es strikt: „Keine Pfützendurchfahrten, auch wenn es noch so schön spritzt“.

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Ein Highlight auf der Fahrt war dann noch das Treffen mit den beiden Münchner Motorrad-Fahrern (einer davon Siemens Kollege!), mit denen ich vorab im Frühjahr schon E-Mail Kontakt hatte und die auf dem Rückweg von der Mongolei waren, nach mehr als zwei Monaten Fahrt quer durch Asien. Wir hatten ausgerechnet, dass wir uns in Omsk treffen würden, nun war der Treffpunkt zwischen Perm und Jekaterinburg. Grosse Freude, dass es geklappt hat. Die Welt ist eben klein und meine Teamkollegen wussten gar nichts von meinem vorherigen E-mail-Verkehr. Umso größer war die Überraschung.

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Noch schnell einige Fotos für die „Siemens Welt“ und dann aufsitzen, die beiden Biker zurück nach Deutschland, wir weiter Richtung China. Kurz vor der Stadt Jekaterinburg überquerten wir noch – ohne es zu merken – die geographische Grenze zwischen Europa und Asien.  Am frühen Abend gegen 19.00 Uhr erreichten wir ohne weitere Zwischenfälle die Stadt Jekaterinburg, die auf uns von Anfang an einen sehr guten Eindruck machte.

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Jekaterinburg liegt bereits in Asien und wir hatten nun schon Kilometer 4000 unserer Reise überschritten. Wir übernachteten im Hotel „Tsentranaya“, welches seinem Namen alle Ehre machte und in dem bereits Roosevelt genächtigt haben soll. Gleich gegenüber die Büros von Siemens und eine Kollegin erwartete uns denn auch im Hotel, um uns zusammen mit Frau Gabdullina, der Leiterin von Siemens Region Ural, die Stadt noch etwas zu zeigen. Jekaterinburg ist die drittgrößte Stadt Russlands und der Exekutions-Ort der letzten Zarenfamilie. Davon zeugt eine winzige Holzkirche, die auf dem Fleck errichtet wurde, an dem die Zarenfamilie in einem Keller ermordet wurde. Da viele Russen zu dieser kleinen Kirche pilgerten und dies dem früheren Präsidenten Jelzin nicht adäquat erschien, ließ er als Parteisekretär der Stadt das Sterbehaus der Zarenfamilie abreisen und an dieser Stelle eine imposante neue orthodoxe Gedächtniskirche errichten. Diese wurde erst vor einigen Jahren eingeweiht.

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Jekaterinburg ist eine sehr saubere Stadt, in der die alten Gebäude erhalten und renoviert, aber auch moderne neue gebaut werden. Frau Gabdullina kann zu Recht sehr stolz auf ihre Heimatstadt sein.

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Wir gingen noch alle zusammen zum Abendessen in ein traditionell russisches Restaurant und waren dann nach den Strapazen des Vortages doch etwas angeschlagen, recht früh reif für das Bett.

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Tag 12: Jekaterinburg nach Tjumen

Diese Teilstrecke war wiederum ein relativ  moderater Abschnitt von knapp 330 km. Um 8.30 Uhr morgens hatten wir ein Treffen mit Frau Dr. Schimkoreit, der deutschen Generalkonsulin in Jekaterinburg im Siemens Büro. Sie hatte von der Vintage Volkswagen Challenge gehört und wollte uns kennenlernen. Auch hatte sie von den Zollschwierigkeiten erfahren und sie und ihre Mitarbeiter konnten uns wichtige Tipps geben und boten an, ein Geleitschreiben vorzubereiten, das uns bei der Ausreise helfen sollte.

Leider mussten wir nämlich feststellen, dass unser Sascha laut der mitgeführten russischen Dokumente den Service T5 schon am 16. August außer Landes bringen sollte, was sowohl ihn als auch uns sehr beunruhigte. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Chance, den Grenzübertritt in die Mongolei vor dem 23. August zu machen. Wieder ein potentieller Fallstrick für den nächsten Zollkontakt! Das gesamte Konsulat war sehr hilfsbereit und wir möchten uns als Team herzlich bei Frau Dr. Schimkoreit und Kolleginnen und Kollegen bedanken.

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Dann fuhren wir nochmals zurück zur Europa-Asien Grenze, um unsere persönlichen Zertifikate zu bekommen. Ein nettes Erlebnis, bei dem man sich mit einem Fuß in Europa und einem Fuß in Asien stehend etwas wünschen durfte und das sollte dann auch in Erfüllung gehen. Das taten wir dann alle …
Und so ging es dann los nach Tjumen, Bernd Ohnesorge und ich fuhren im Tiguan mit Claus nochmals zum Konsulat, um unseren offiziellen Geleitbrief abzuholen und eine Passangelegenheit zu klären. Wir hatten dann die Käfer nach ca. 150 km eingeholt, ohne von den unzähligen Polizeistreifen auf der Strecke angehalten oder per Radar gestoppt worden zu sein - ein Wunder!

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Abends um 19.00 Uhr erreichten wir Tjumen, tankten gleich nochmals voll, um am kommenden Tag keine Zeit zu verlieren.  Tjumen, die älteste Stadt Sibiriens, aber laut Aussage eines Reiseführers, eigentlich keinen Stopp wert, bestätigte diese Aussage. Das Hotel, außen ein kommunistischer Wohnblock noch in Grau, innen ganz gut renoviert, bot normalen Komfort. Was wollte man mehr.

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Nach einer kurzen Teambesprechung und einem Abendessen im recht netten Italiener „Casa Mio“ waren die meisten von uns wieder bettreif. Am kommenden Tag stand uns eine lange Strecke bevor: durch die westsibirische Tiefebene nach Omsk.

Tag 13: Tjumen nach Omsk

Diese und die Etappe am kommenden Tag sollten uns in großen Sprüngen über die westsibirische Tiefebene bringen. Die erste Etappe war 650 km lang und deshalb starteten wir bereits um 8.00 Uhr morgens unsere Motoren und verließen Tjumen in Richtung Osten nach Omsk.

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Die Strecke war „bretteleben“, die Straße im Großen und Ganzen soweit gut. In den frisch geteerten Bereichen fuhren wir ca. 85 km/h, wenn dann wieder Passagen mit Spurrillen und Schlaglöcher kamen, wurde die Geschwindigkeit deutlich reduziert. Die Gegend war geprägt von tief brauner Erde, einer Birkenmonokultur und sumpfigen Wiesen gleich neben der Straße. Manchmal konnte man meinen, wir würden durch die Great Plains in den USA fahren: Viele amerikanische Lastwagen mit den langen Hauben, Rinderherden mit Sowchose-Cowboys auf Pferden und eben die Highway schnurgerade und bis zum Horizont.

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Dann ca. 100 km nach Tjumen kam ein makaberes Natur-schauspiel: Erst dachte ich, da am Horizont sähe ich einen langen weißgrauen Kreidefelsen. Aber es war ein langer Wald mit abgestorbenen Birkenstämmen, der den Eindruck eines Steilhangs erweckte. Ob die Birken durch Parasiten, den Klimawandel oder durch die Öl- und Gasindustrie geschädigt wurden, konnten wir nicht beurteilen. Jedenfalls verloren ganze Birkenwälder die Blätter mitten im Sommer und starben ab. Dieses Schauspiel zog sich über viele Kilometer hin. Die meisten Birken machten einen kranken Eindruck.
Die Orte auf der Strecke waren alle sehr einfach, viele Holzhäuser wurden mit Stein ummauert, wobei das alte Dach meist weiterverwendet wurde. Die Straßen in diese Dörfer hinein waren meist nicht geteert, was zu außerordendlich schwierigen Verkehrs- und Schmutzverhältnissen führte. Gerade, weil sich Sonne, Wolken und Regenschauer abwechselten, und immer wieder heftigste Platzregen herniedergingen, war die Schlammsituation unvorstellbar. Die Autos fuhren sehr gut, wir machten eine kurze Mittagspause auf der Fahrt und selbst dort standen wir im Schlamm. Beeindruckend immer wieder der Wechsel der Wolkenbilder am Himmel: Mal strahlend blau mit kleinen Wölkchen, dann wieder schwarzblau und beängstigend. Wir fuhren vor einer Regenfront her, manchmal holte sie uns ein.

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Am Nachmittag durchfuhren wir rechnerisch die Hälfte der Streckenkilometer unserer Gesamtreise. Nach ca. elf Stunden Fahrzeit erreichten wir gegen 21.00 Uhr die Randbezirke von Omsk. In Omsk hatten wir wieder eine Stunde Zeitverschiebung, die uns nun auf fünf Stunden hinter die deutsche Sommerzeit und nur mehr eine Stunde weg von der chinesischen Zeit brachte. Das Smartphone von Dopod mit seinem integrierten Naviga-tionssystem leistete gerade bei Stadtein- und Stadtausfahrten immer wieder sehr gute und zuverlässige Dienste. Ohne dieser Applikation verlor man sich leicht, vor allem auch deshalb, weil wir sieben Fahrzeuge waren, die alle bei Grün über die Ampel mussten. Das Hotel „Touristt“ in Omsk war wieder einmal geprägt von früh sozialistischem Charme, das eine erste oberflächliche Renovierung erfahren hatte. Das Abendessen nahmen wir im Irish Pub nebenan ein und fielen so gegen zwölf in unsere Betten.

Tag 14: Omsk – Novosibirsk

Dies war die zweite Etappe der Flachlanddurchquerung und wir sollten nochmals eine ca. 700 km lange Strecke an einem Tag zurücklegen. Deshalb hieß es früh abfahren. Am Tag zuvor hatte Waldemar mit dem Hotel verhandelt, dass der Frühstücksraum schon um 7.30 Uhr öffnet, also eine halbe Stunde früher als normal! Wir waren nun schon sehr weit im Osten und die kommunistische Bürokratie schien noch mehr überlebt zu haben je weiter wir vorankamen.

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Dann ging es auf die Autobahn Richtung Novosibirsk, die uns auf der gesamten Strecke positiv überraschte und wir kamen deshalb sehr gut voran.  Die Käfer schnurrten mit ca. 90 km/h über die Weiten Sibiriens, immer wieder türmten sich mächtige Gewitter- und Regenwolken am Himmel auf und es kam zu starken Regenfällen. Am Horizont auch schön sichtbar: wolkenbruchartige Niederschläge. Es waren auch erstaunlich wenige Lastwagen unterwegs, obwohl diese Strecke die einzige direkte Verbindung nach Ostsibirien war. Scheinbar hatte sich doch herumgesprochen, dass die Transsib die einfachere Transportmöglichkeit darstellt.

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Einmal am Wegesrand ein komplett ausgebrannter Sattelhänger, der noch weiß qualmte. Ansonsten die obligatorischen Polizeistationen, wo wir immer schön artig vorbeifuhren und nie angehalten wurden und ab und an eine Raststätte mit teilweise sehr interessanten Toilettenanlagen oder eine Tankstelle. Das waren die Abwechslungen auf dem Weg durch die sibirischen Weiten.
Am Abend gegen 19.00 Uhr erreichten wir nach nur elf Stunden Fahrt die Metropole Novosibirsk am Ob, eine Stadt mit ca. 1,4 Millionen Einwohnern. Wir stiegen im Hotel „Sibir“ ab (angeblich das Beste am Platz), es gab Internet für Sigurd, Bjarne und mich und die Zimmer waren standard.

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Gleich nebenan lag ein Restaurant mit integrierter Mikrobrauerei, in dem wir uns satt essen konnten und die russischen Gäste bei der Übertragung des Fußballspiels Russland gegen Argentinien beobachten konnten. Nach dem 1:0 für Russland wehten die Fahnen, beim Ausgleich wurde man etwas kleinlauter aber am Ende war man stolz auf die Jungs, die für Russland gekämpft hatten, auch wenn man 3:1 verlor. Im Vergleich dazu hörten wir heimatliche Kommentare vom Spiel Deutschland gegen Aserbeidschan, das wir mit 2:0 gewonnen haben. Anstatt sich zu freuen, nur Kritik über Kritik. Manchmal sind wir Deutschen von außen betrachtet schon ein komisches Völkchen …

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Jedenfalls freuten wir uns alle auf den Ruhetag in Novosibirsk, den wir am Vormittag für den Service (Sichtprüfung, Ventile einstellen, Ölwechsel und Abschmieren) bei einem lokalen VW Händler nutzen würden. Außerdem musste noch das Zollproblem gelöst werden, um eine zügige Ausfahrt unseres Konvois aus Russland sicherzustellen und nicht wieder an der Grenze festgehalten zu werden. Da waren wir alle einer Meinung: Einmal hatte es uns schon gereicht.

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Tag 15: „Ruhetag“ in Novosibirsk

In Novosibirsk hatten wir Halbzeit! Vor genau zwei Wochen waren wir in Erlangen losgefahren, unsere Vintage Volkswagen Challenge 2009 war nun genau 14 Tage auf Achse.

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Wir hatten schon vieles erlebt, noch viel mehr gesehen und immer überaus nette Leute in allen Ländern getroffen. Wir wurden vor allem in Russland sehr oft aus vorbeifahrenden Autos fotografiert und angehupt, der erhobene Daumen als Zeichen bei der Vorbeifahrt war fast schon normal. Manchmal reichte ich den neben mir stehenden Autos an den Ampeln unsere Visitenkarten, Waldemar versuchte dann auf Russisch  zu erklären, dass wir nach China unterwegs seien, was manche nur mit Unverständnis kommentierten. Novosibirsk ist die größte Stadt Sibiriens und die drittgrößte Stadt Russlands, liegt am Ob und besitzt einen sehr schönen Bahnhof  der Transsibirischen Eisenbahn.

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Die Stadt hat knapp 1,4 Mio. Einwohner und wurde 1893 an einer Brücke über den Ob gegründet. Heute gibt es im Großraum Nowosibirsk sechs Brücken über den gewaltigen Ob, der hier teilweise fast einen Kilometer breit ist und von Süden nach Norden fließt.

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Am Vormittag machte Egon unter großer Unterstützung der VW Niederlassung hier in Novosibirsk an allen Käfern Ölwechsel, Ventileinstellung, wenn nötig Zündung. Mein vor einigen Tagen abgefallenes „D“-Schild wurde wieder geschweißt und angebracht. Am Nachmittag war dann mal wieder unser leidiges Thema Zoll angesagt. Wir hatten ja noch zwei Zollthemen zu „heilen“: Zum einen war fälschlicherweise das Zolldokument für den Cabrio für Ausreise am 5. August (!) ausgestellt worden, was natürlich völlig unmöglich war und wir hatten dies auch erst in Jekaterinburg bemerkt. Zum zweiten musste laut Dokumente und Aussage unseres Begleiters Sascha unser Service T5 auch schon am 16. August Russland verlassen, was auch nicht ging. Also fuhren Michael, Egon, Sascha und ich mit dem Cabrio und dem T5 zuerst zum Deutschen Generalkonsulat und dann zum Zoll über eine der sechs Ob-Brücken. Nur durch die tatkräftige Unterstützung des deutschen Generalkonsulats und vor allem von Frau Julia Slepowa, die mit uns die weiteren drei Stunden am Zoll in Novosibirsk verbrachte, konnten beide Themen geheilt werden. Jedenfalls waren die Zollbeamten hier sehr kooperativ und zuvorkommend. Ich unterschrieb dann noch eine Bestätigung für unseren Zollbegleiter Sascha, dass wir auf ihn ab sofort verzichten würden und schwups war dieser dann auch in der Transsib zurück gen Westen. Nicht ohne ein Dankeschön und ein kleines Abschiedsgeschenk vom Team. Ab dann mussten wir die noch anstehenden Polizeikontrollen alleine managen. Aber dafür war nun unser Team zum ersten Mal richtig legal in Russland unterwegs … So verging zumindest für einen Teil des Teams der „Ruhetag“ und wir gingen dann am Abend noch schön russisch Essen, das erste Mal mit Kaviar und Wodka zur Feier der Halbzeit und der zurück gewonnenen Legalität.

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Wir freuten uns schon auf  die zweite Großetappe weiter in Sibirien in Richtung Baikalsee.

Tag 16: Novosibirsk - Kemerovo

Um 10.00 Uhr begaben wir uns auf die relativ kurze Etappe von Novosibirsk nach Kemerovo. Das Wetter war herrlich, strahlend blauer Himmel und darunter der lind- grün getünchte Bahnhof im Stil der 30er Jahre mit den weiß abgesetzten Lisenen. Die Ausfahrt aus der Stadt ohne Probleme, denn so viele Straßen in Richtung Osten gab es dann auch nicht mehr. Nochmals voll getankt und dann weiter in diese unendliche Landschaft, die sich nun langsam wieder etwas welliger zeigte. Auch hörten die Birkenmonokulturen mehr und mehr auf und es mischten sich andere Laub- und später auch Nadelbäume in die weiter werdenden Wälder.

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Da wir etwas Zeit hatten, entschlossen wir uns zu einer „Ortsdurchfahrt“ in einem kleinen Dorf mit den wunderschönen und typischen Holzhäusern.

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Wie erwartet (und auch gewünscht) war die Dorfstraße alles andere als geteert und wir konnten die Geländegängigkeit unserer Käfer ausgiebig testen. Die Dorfbewohner wunderten sich etwas über die schrägen Typen mit den alten Autos, wir kamen aber soweit es ging in nette Gespräche mit Ihnen. Immer wieder kam es bei den Tankstops zu interessanten Begegnungen und Fotoszenen.

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Wenige Kilometer später beim Mittagsstopp trafen wir ein Pärchen aus Frankreich, das mit einem Mercedes-Transporter als Wohnmobil ausgebaut von Frankreich aus die Mongolei bereist hatten und nun auf dem Rückweg war. Sie erzählten uns von recht schlechten Pisten hinter Krasnoyarsk und der mitgeführte kaputte Reserve-Reifen machte einigen von uns mächtig Eindruck.

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Die Fahrt selbst gestaltete sich recht angenehm bis Kemerovo und wir erreichten den Industrieort mit 500.000 Einwohnern so gegen 18.00 Uhr. Das gebuchte Hotel war noch sehr geprägt von der kommunistischen Ära, viele Details zeugten von einer besseren Zeit des Hotels, aber insgesamt war es anständig. Sogar ein Föhn lag bereit.

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Nach dem Einchecken erkundeten wir noch das Zentrum von Kemerovo, welches überraschend aufgeräumt ist, ja fast schon mediterran bebaut und auch recht nett hergerichtet.

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Einige junge Leute sprachen uns in gutem Englisch und auch Deutsch an und erzählten uns, dass die neue Stadtregierung recht fort-schrittlich ist und vieles für den Umweltschutz und die Stadtverschönerung tue. Aber ansonsten meinten sie, dass Russland irgendwie „Upside-down“ sei. Wir fragten nach, was sie damit meinten, aber so recht verstanden wir es nicht.  Scheinbar versammelte sich die gesamte Jugend von Kemerovo auf den Plätzen und vor dem großen Lenindenkmal zum Chillen. Das Wetter war angenehm warm und wir konnten den Kaffee spät abends sogar noch im Freien einnehmen.  Insgesamt erlebten wir Kemerovo überraschend positiv, wie so oft, wenn man weniger erwartet.

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Tag 17: Kemerovo - Krasnojarsk

Wir verließen Kemerovo schon recht früh, da die kommende Etappe gut 500 km lang war. Die Ausfahrt war problemlos und die Sibirien-Highway M53 gut ausgebaut. Natürlich kamen ab und an mehr oder weniger große Schlaglöcher, auf die man gefasst sein sollte, aber alles in allem zeigten sich die Straßen besser als erwartet – zumindest bis Krasnojarsk.

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Die Landschaft wurde schön hügelig und die Wälder deutlich gemischter. Lange gerade Strecken wechselten mit malerischen Kurven, in denen man sich ein Bergrennen mit Oldtimern gut vorstellen konnte.

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Nach knapp 200 km Fahrstrecke durchfahren wir die sehr malerische Stadt Mariinsk, wildes Treiben auf den Straßen, der Wochenmarkt wurde abgehalten.

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Die kleinen Holzhäuser im typischen Stil sind oft halb eingesunken, schief und teilweise wunderschön farbig bemalt. Man bekommt wieder den Eindruck einer Stadt im wilden Westen, aber hier eben im wilden Osten. Und vor vielen Häusern stehen noch die alten Ural Seitenwagengespanne, die oft ganze Familien auf einmal transportieren. Diese auf der BMW R71 basierenden Motorräder werden wir auch in China wieder sehen, als CJ750 “Großer Fluss”.
Einige Kilometer weiter erspähte ich in ca. 200 Meter Entfernung hinter einer sehr langen, verkommenen Betonmauer einen Lokomotivfriedhof mit langen Reihen von tiefschwarzen ausrangierten Dampflokomotiven und auch alten E-Loks. Wir gleich abgebogen und mit 3 Käfern, dem Tiguan und dem Bus zum Tor gefahren, um einige Fotos zu schießen. Doch schon schlugen die Hunde an und nach und nach kamen drei Uniformierte aus dem Häuschen. Diese machten uns trotz der freundlichen Nachfrage von Waldemar, ob man eventuell ein wenig fotografieren dürfe, sehr schnell klar, dass dies nicht möglich sei, denn es handele sich um eine technische Anlage und das gehe nun mal nicht.
Ich hatte gar nicht so schnell geschaut und der Egon war auf das Dach unseres T5 Busses gestiegen, um Fotos über die Mauer zu machen. Dies erregte die Beamten umso mehr, so dass wir sehr schnell und insgesamt unverrichteter Dinge abzogen. Gleiches war uns kurz hinter Kemerovo passiert, als ich die Käfer vor der Einfahrt zu einer Kohlegrube malerisch positionieren und fotografieren wollte. Weg ge-scheucht… Wiederum nach einigen Kilometern sahen wir in der Ferne bereits rauchende Schornsteine und eine riesige Abraumhalde, erste Anzeichen der Stadt Achinsk, einem Zentrum für Aluminium-Produktion und großen Bauxitvorkommen. Die Durchfahrt hatte etwas

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Trostloses und man fragte sich, wie man hier leben kann. Abgewirtschaftete Fabrikanlagen, Brücken, die mit Schlaglöchern besetzt waren, die ihresgleichen suchten. Dann plötzlich ein extrem unschönes Geräusch an meinem 49er, als ob etwas am Boden schleifen würde. Ich dachte schon an einen fatalen Schaden, aber es war das vordere Nummernschild, das nach dem Aufsetzen in einem Schlagloch abgerissen war.

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Dies war schnell behoben und nichts wie raus aus dieser grässlichen Stadt. Interessant auch noch der „Flughafen“ dieser Stadt, den man eher als Flugzeugfriedhof bezeichnen konnte. Wir machten schon gar keine Anstalten mehr, diesen fotografieren zu wollen. Technische Anlage …
Ca. 100 km vor Krasnojarsk sah ich dann linker Hand etwa 100 Meter von der Straße entfernt am Dorfeingang eine wunderschöne, alte und recht verfallene Kirche mit Kuppel. In meinem Führungsfahrzeug gleich den Blinker gesetzt und den Konvoi hin gelotst. Da es sich ja um kein technisches Objekt handeln konnte, fingen wir an, eifrig zu fotografieren. Die Kirche wurde als Kuh- oder Schweinestall benutzt, es waren  keine  Tiere  drin,  aber

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der Nachlass der Bewohner war noch recht frisch, was der Kirche einen recht untypi-schen Innengeruch verlieh. Und dann passierte es: Als wir nach getaner Fotografierarbeit wieder abfahren wollten, riss mein Kupplungsseil. Patsch! Nun muss man wissen, dass der Wechsel des Kupplungsseils an einem Seilzugkäfer ein recht großer Akt ist, denn es muss das gesamte Fußhebelwerk ausgebaut und die mechanische Bremse im Rahmentunnel ausgehängt werden. Da das Seil hinten gerissen war, versuchten wir anstelle des kompletten Wechsels eine andere Lösung, die aber wegen fehlender spezieller Teile nicht erfolgreich war. Nach ca. einer Stunde entschieden wir uns dann, ohne Kupplung bis nach Krasnojarsk weiterzufahren, um nicht von der Dunkelheit

überrascht zu werden und dort die Teile zu erwerben bzw. die Reparatur zu machen. Da ich eh mit Zwischengas schalten musste, ging es auch recht gut ohne Kupplung. Auf freier Strecke also kein Problem. Schwieriger würde es werden, wenn Stopp and Go Betrieb kam. Aber es lief recht gut durch. Zu allem Überfluss hatten wir auch keine Karten von Krasnoyarsk auf unseren Navigationssystemen. Wir fuhren also nach Gefühl in Krasnojarsk ein und fanden unser Hotel im Zentrum sehr schnell (mein Sibirienreiseführer hatte eine kleine Innenstadtkarte) und Waldemar lotste mich ohne Kupp-lung mit dem ganzen Konvoi locker zum Hotel.Am nächsten Tag stand dann die Reparatur des Kupplungs-seils an …

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Tag 18: Reparatur und Pausentag in Krasnojarsk

 Unser Hotel lag direkt an der Jenissei-Brücke, die übrigens den 10 Rubel Schein schmückt. Das Hotel war sehr ordentlich und Krasnojarsk eine lebhafte Stadt.

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Am Abend vorher hatten uns zwei junge Damen vom Krasnojarsker Fernsehen auf unsere Käfer angesprochen und wollten heute nochmals vorbeikommen, um Filmaufnahmen zu machen. Wir hatten uns für 12 Uhr Mittag verabredet. Also hieß es, das Kupplungsseil des 49ers vormittags zu reparieren. Dazu brauchten wir Klemmschellen, um die Verlängerung des Kupplungsseiles dauerhaft zu bewerkstelligen. Die Dame am Check-In des Hotels erklärte uns den Weg zu einem Automobilzubehörshop, den wir dann auch recht schnell fanden und der auch am Sonntag geöffnet hatte. Gleich nebenan dann noch ein „Praktika“-Baumarkt und wir hatten alle Schellen, die wir suchten.
Zurück am Parkplatz lösten Egon und ich dann mit vereinten Kräften das Kupplungsproblem. Das Seil hielt bis zum Ende der Fahrt!

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Die anderen Teamteilnehmer schauten sich die Stadt an, die sehr schöne alte Holz- und auch Steingebäude aufweist. Die recht einfache Gliederung der Innenstadt machte eine Orientierung leicht möglich. Um 12 Uhr Mittags waren natürlich die Damen vom Fernsehen nicht da. Waldemar und ich hatten uns die Cabrio Schlüssel von Bernd und Michael ausgeliehen, das Wetter war super schön und so fuhren wir die Stadt und Sehenswürdigkeiten mit dem offenen Cabrio ab. Als wir zurückkamen, war eine der Fernsehdamen da, zusammen mit einem Reporter (der sehr gut Englisch sprach) und einem Kameramann vom Krasnojarsker Fernsehen. Dann wurde gedreht, Egon mit den Ersatzteilen, Interview, Cabrio Dach auf und zu.

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24,5 PS Motor und der Kameramann drehte dann mit mir noch eine Runde in der Innenstadt, vorbei an dem obligatorischen Lenin Denkmal. Am Abend wurde die Reportage bereits ausgestrahlt. So verging ein recht entspannender Tag in Krasnojarsk, einer Stadt, in der man auch nicht alle Tage ist (und schon gar nicht im Fernsehen …) Am Abend trafen wir uns alle wieder zum gemeinsamen Abendessen im „Balkan-Grill’ bei gediegener Atmosphäre und gutem Essen. Ich war sehr froh über mein repariertes Kupplungsseil. Die Etappe am kommenden Tag würde eine harte Probe werden, mit knapp 700 km  eine sehr lange und anstrengende Strecke. Uns wurde ja von diversen Fahrern schon von  denn katastrophalen  Straßenverhältnissen erzählt. Wir würden versuchen, Tulun zu erreichen, den letzten Stopp vor Irkutsk.

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Tag 19: Krasnojarsk – Tulun

Mit knapp über 700 km war diese Etappe schon alleine von der Entfernung her eine Herausforderung. Was uns dann aber auch an Straßenqualität erwartete, machte diese Strecke sicherlich zur „Königsetappe“ der ganzen Fahrt. Insgesamt benötigten wir 17 Stunden, wobei wir nur recht kurze Stopps machten.

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Die Ausfahrt aus Kransojarsk verlief ohne Probleme, wir überquerten den Jenissei und die ersten 100 km waren sogar besser als erwartet. Die Landschaft war sehr malerisch, geschwungene Hügel, dicht bewaldet, alles hatte den Charakter vom Bayerischen Wald, allerdings viele Birken gab es immer noch.

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Die Strecke führte immer recht nah an der Transsibirischen Eisenbahn entlang, die sie immer wieder kreuzte und es so zu interessanten Begegnungen führte.

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Zunächst kamen die Schotterstrecken nur in kurzen Abschnitten, oft nach oder vor Bahnübergängen oder bei Ortsdurchfahrten und wir dachten schon, das seien die von den Motorradfahrern beschriebenen schlechten Abschnitte gewesen, doch wir sollten eines Besseren belehrt werden.

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Die Schotterpisten wurden länger, die Schlaglöcher immer größer und vor allem häufiger und man konnte mit maximal 20 km/h die Transsibirien „Highway“ befahren. Zu allem Überfluss fing es auch noch zu regnen an, was die Pisten in Matschstrecken verwandelte. Man musste immer aufpassen, dass das Seitenfenster geschlossen war, wenn einer der Überlandtrucks entgegenkam, um nicht vom spritzenden Dreck erwischt zu werden. Wir kamen zäh und langsam voran und die Autos litten sehr unter den holprigen Straßen und den spitzen Steinen des Schotters. Andererseits fand ich auf dieser Strecke immer wieder wunderschöne Motive zum Fotografieren, es war trotz der Anstrengung eine der interessantesten Strecken.

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Beeindruckend war die Nutzung der Ural Seitenwagenmaschinen, mal als Familientransporter, mal mit Anhänger als Holztransporter.

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Bei den oft vorkommenden Stopps vor der verschlossenen Schranke der Transsib kam es immer wieder zu sehr schönen Motiven. Einmal fanden wir einen alten, langsam verrostenden Militärlastwagen, ein andermal kamen uns die geländegängigen Lkw-Busse entgegen.

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So gegen Einbruch der Dunkelheit hatten wir noch 100 km bis Tulun und wir entschlossen uns weiterzufahren. Also musste der Tiguan voraus, um einigermaßen die Piste auszuleuchten. Selbst die allerletzten 60 km waren dann auch nochmals eine brutale Schotter-/Schlammpiste und wir erreichten um Mitternacht Tulun, wo wir zum Glück vom Pensionsbesitzer am Stadtrand abgeholt wurden. Alleine hätten wir die Unterkunft in diesem Ort in der Dunkelheit nie gefunden. Auf dem Weg vom Stadtrand zur Pension wurde der hinter mir fahrende Konvoi dann noch zweimal von der Polizei angehalten, aber dank der Intervention von Waldemar und vom Pensionsbesitzer ging alles glimpflich ab. Tulun hatte nochmals eine Stunde Zweitverschiebung und so fielen wir dann kurz nach ein Uhr früh Ortszeit in unsere Betten.

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Im Vergleich zu diesem Höllenritt war die Uralfahrt vor knapp 10 Tagen im Rückblick ein Kinderspiel.

Tag 20: Tulun – Listwjanka (Baikalsee)

Nach der Höllentour des Vortages hatten wir alle sehr gut in unseren Betten geschlafen und gegen 8.00 Uhr morgens weckte mich das Motorengeräusch von Steves VW Käfer, der direkt vor meinem Fenster gestartet wurde.

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Also auch aufstehen, denn um 9.00 Uhr wollten wir wieder auf die Piste gehen. Der Pensionsbesitzer machten uns noch Kaffee (zu mehr hat es nicht gereicht) und dann lotste er uns aus Tulun wieder hinaus. Nun sahen wir bei Tageslicht, wie heruntergekommen die Stadt selbst ist. Tulun ist ein bedeutendes Zentrum der Kohle- und Holzindustrie mit ca. 50000 Einwohnern. Die umliegenden Braunkohlevorkommen, die im Tagebau abgebaut werden, führten dazu, dass die ganze Gegend umgepflügt aussah. Die Strecke nach Irkutsk und dann weiter nach Baikal-City waren „nur 350 km“ plus 60 km, also ein Katzensprung, zumal auch nach anfänglichen Schotterstrecken die Strassenverhältnisse wieder besser wurden. Und so erlaubten wir uns einige Fotostopps, vor allem in den sehr idyllischen Dörfern.

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Immer wieder überraschten uns die sibirischen Dörfer mit ihrer Ursprünglichkeit. Kühe laufen auf der Strasse herum, die oft blau oder grün gestrichenen Holzhäuschen glänzen in der Sonne und dennoch die moderne Zeit mit Handys, Einkaufsmarkt und vielen Autos.

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Völlig unproblematisch waren im Übrigen die Versorgung mit Benzin und damit verbunden oft auch das Mittagessen. Immer wieder fanden sich Raststätten an der M53 und oft waren die sanitären Einrichtungen sehr „idyllisch“. Zu Essen gab es immer die obligatorischen Koteletts, die aber hier aus Hackfleisch waren und natürlich Spieße aus verschiedenen Fleischsorten, die oft hinter dem Haus am offenen Feuer in etwas archaischer Form gegrillt wurden. Ich hatte mir angewöhnt, diese Feuerstellen nicht unbedingt zu besichtigen.

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Circa eine Stunde vor Irkutsk passierten wir eine schön restaurierte Kirche, die malerisch am Fluss Telminka gelegen war. Es geht also auch anders und nicht jede Kirche muss in Russland als Kuhstall dienen.

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Die Durchfahrt durch Irkutsk verlief zwar nicht ganz reibungslos (wie schon beschrieben haben unsere Smartphones nun leider kein Kartenmaterial mehr für den Osten Russlands), machte aber an sich Lust auf „mehr Irkutsk“ und wir entschlossen uns am Abend in Listwjanka entgegen unseres ursprünglichen Planes am kommenden Tag eine Nacht in der City von Irkutsk zu übernachten. Nachdem wir die Stadt Irkutsk verlassen hatten, ging es in einer wunderschönen Berg- und Talbahn Richtung Südost entlang der Angara, des „Abflusses“ des Baikal-Sees Richtung Listwjanka. Die Angara ist der einzige Abfluss des Baikalsees, Zuflüsse hat er über 300, und wird auch die Tochter des Baikals genannt. Legenden besagen, dass sich der alte Baikal erzürnte, da sich seine einzige Tochter dem Jenissei zuwandte und so warf er einen Stein nach ihr. Dieser auch Schamanenstein genannte Fels ist die Grenze zwischen Baikal und Angara. Uns klopften die Herzen, als wir nach einem letzten Hügel den Baikalsee erblickten.

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Der kleine Ort Listwjanka liegt genau am nordöstlichen Beginn der Angara und soll zu dem Touristenzentrum „Baikal-City“ entwickelt werden, im Moment gibt es ein Hotel und einige kleine Restaurants und einen Zeltplatz. Also etwas einsam. Dafür entschädigten uns der tiefblaue Himmel und der Sonnenuntergang über dem Baikalsee. Dieser größte und tiefste Süßwassersee der Erde hat schon etwas Besonderes und wir waren alle begeistert, nun hier zu sein. Unsere Youngster Alex und Thomas ließen es sich nicht nehmen, in den nur 12 Grad „warmen“ Baikalsee kurz schwimmen zu gehen. Ein tapferer Akt, dem sich die etwas gesetztere Generation des Teams (noch) nicht anschließen konnte.

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Wir nahmen das Abendessen im Hotel ein, denn dies schien das beste Restaurant zu sein. Wir wurden auch nicht enttäuscht. Viele aßen den typischen Baikal-Fisch Omul und nach einigen Wodkas und Weinflaschen verzogen wir uns auf unsere Zimmer. Wir hatten den Baikal erreicht!

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Dritter Abschnitt vom Baikalsee nach Peking

Tag 21: Listwjanka nach Irkutsk

In Abänderung unserer Planung fuhren wir nach der einen Nacht in Listwjanka zurück nach Irkutsk und buchten eine Übernachtung im Hotel Irkutsk. Die Stadt hatte das Team schon bei der Durchfahrt am Tag zuvor fasziniert und wir wollten einfach Irkutsk direkt erleben, bevor wir dann nach Baikalsk am Südostufer des Sees weiterfuhren. Der Aufbruch aus Listwjanka erwies sich als langwierig, denn das Irkutsker Fernsehen AIST war da und es wurde eine Kurzreportage gefilmt, die wir dann am gleichen Abend in unserem Hotelzimmer in Irkutsk anschauen konnten. Eine nette Sequenz, von der wir aber natürlich recht wenig verstehen konnten.

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Nach einigen Erinnerungsfotos für das Hotelmanagement ging es die 50 km zurück nach Irkutsk, vorbei an Ortschaften mit recht  netten und sehr privaten Hotels. In einem davon soll sogar schon Gerhard Schröder mit seinem Freund Putin übernachtet haben. Dort ist ein kleines U-Boot als Bar umgebaut worden.

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Wir hatten alle die Möglichkeit, die wunderschöne Altstadt von Irkutsk mit ihren verzierten und farbigen Holzhäusern, aber auch sehr schönen klassizistischen Steinhäusern und uralten Kirchen zu bewundern. Wir machten uns einzeln oder in Gruppen auf die Tour, trafen uns aber immer wieder zufällig an den wichtigsten Spots.

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Da die warmen Monate in Irkutsk spärlich sind, ist scheinbar der August der Hochzeitsmonat. Und man ließ sich nicht lumpen. Stretchlimousines in rot und weiß mit überdimensionalen Eheringen am Dach und ein Vorkriegs-Horch waren die passenden Hochzeitsautos. Und es wurde fotografiert, was das Zeug hielt.

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Die ganze Altstadt von Irkutsk war ein einziges Foto-Eldorado. Immer wieder fand ich beim Schlendern neue Motive und mich begeisterten vor allem die schönen Holzfassaden, aber auch die malerischen Hinterhöfe und verwucherten Plätze.

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Am Abend gingen wir gemeinsam in eine „deutsche Braustube“ zum Essen, bei Erdinger Weißbier oder einem Augustiner - eine schöne Erinnerung an die Heimat.

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Tag 22: Irkutsk nach Baikalsk

Alles begann harmlos, sollte sich aber zu einer handfesten Krise entwickeln. Der Plan war, den lokalen VW-Händler in Irkutsk anzufahren, um die Autos vor den letzten 2500 km nochmals zu checken bzw. einige Einstellungen machen zu lassen. Der Händler holte uns vom Hotel ab und fuhr vor, um uns zur Werkstatt zu geleiten. Wir waren keine 300 Meter vom Hotel weg, da machte es bei mir im meinem Brezel einen massiven Schlag und ich dachte schon, der Motor sei abgefallen oder das Kupplungsseil sei unter Spannung gerissen. Aber es war leider schlimmer: An der linken Hinterachsaufhängung war der Torsionsfederstab gebrochen, das Autos also ohne Federung hinten links. Offensichtlich waren die Schlaglochstrecken der Tage zuvor doch für den 49er mit den kleinen Hebelstossdämpfern doch eine zu große Belastung gewesen. Ich kam gerade noch zur Werkstatt, dort wurde die Diagnose bestätigt und es stellte sich das Problem, dass wir dieses Ersatzteil nicht dabei hatten.

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Zunächst bauten wir das Teil aus, wofür auch der rechte Torsionsstab entfernt werden musste, um den Rest des linken heraus zu treiben. Das ging alles unter Mithilfe eines kleinen Teams von Roland, Claus, mir und vor allem Egon sehr schnell. Ein Versuch, vom angeblich besten Schweißer von Irkutsk, das Teil zu schweißen, ergab zwar einen Torsionsstab, der äußerlich recht ok aussah, aber leider beim Ablassen der Wagens bereits wieder brach.
Also war klar, wir brauchen das Ersatzteil! Unter Mithilfe von Bjoern Schewe von VW Klassik-Parts wurde ein Torsionsstab in Wolfsburg organisiert. Die Frage: Wie kommt dieser nach Irkutsk, und zwar recht schnell.


Nach mehreren Krisensitzungen des Teams und vielen Telefonaten, entschieden wir folgendes:


1. Das gesamte Team sollte gemeinsam nach Baikalsk fahren, den 49er würden wir zunächst in der Werkstatt zurücklassen. Egon, Waldemar und ich würden dann am Tag darauf zurück nach Irkutsk fahren, um nochmals eine Nacht in Irkutsk zu übernachten und auf die Ankunft der Teile am Samstag Vormittag zu warten, dann meinen 49er zu reparieren und nach Baikalsk bzw. nach Ulan Ude weiterzufahren.


2. Wir wollten uns mehrfach absichern. Deshalb sollte die Lösung mit VW-Klassik-Parts begleitet werden von zwei weiteren Ersatzteilbeschaffungen: Zum einen gaben wir den intakten Torsionsstab dem VW Händler, der angeblich eine Spezialfirma in Irkutsk wusste, die dieses Teil „einfach“ nachmachen würde. Die Firma sei in der Rüstung und für Hubschrauberspezialteile da und könne diese Federstahlbearbeitung. Zum zweiten entschieden wir uns dann noch, den Heinrich Kraus anzurufen, um ihn zu bitten, mit zwei solcher Torsionsstäbe uns nach Irkutsk hinterher zufliegen, um dann die restliche Tour mit uns zu fahren. Heinrich war ja ursprünglich Teammitglied, hatte sich dann aber kurz vor der Abfahrt ausgeklinkt (und besaß damit alle nötigen Visa!) . Ich versprach ihm, den Flug zu zahlen und er willigte ein – ein toller Akt, denn er musste am kommenden Tag (Freitag) über Paris, Moskau nach Irkutsk fliegen.  Ich legte gezielt Wert auf Redundanz, auch wenn wir im Falle des Falles mit vier oder fünf Torsionsstäben dastehen würden. Nun mussten wir sehen, was klappen würde und was nicht.

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Wir ließen also den 49er in der Werkstatt und fuhren alle Richtung Baikals, einem Skiort (!), in dem wir vier Blockhütten gemietet hatten. Die Fahrt über bewaldete Hügel an die Südspitze des Baikalsees im Abendlicht war malerisch und dann die Abfahrt zum See und die restliche Strecke ein Genuss. Der Baikalsee ist ja mit 670 km so lang, dass man von Südwest nach Nordost blickend, einen Horizont wie am Meer hat, also das andere Ufer nicht mehr sehen kann. Das Wetter war herrlich, die Kontraste im Abendlicht genial. Wir erreichten nach etwas mehr als zwei Stunden Fahrt (ich fuhr im T5 mit) die Blockhütten und machten es uns gemütlich.

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Nachts sassen Waldemar und ich noch lange draussen mit einer guten Flasche Wein und betrachteten bei glasklarem Himmel und geringstem Restlicht den Sternenhimmel. Es war die Zeit der Sternschnuppen. Unzählige dieser Leuchterscheinungen waren an diesem Abend sichtbar.

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Tag 23: Baikalsk und Rückfahrt nach Irkutsk

 

Die gemieteten Blockhütten im Skiresort waren sehr einladend und komfortabel ausgestattet. Zum Frühstück mussten wir uns selbst versorgen und Egon erwiess sich als exzellenter Kaffekocher (und nicht nur als perfekter Schrauber!). Bjarne und Bernd servierten Rührei mit angebratenen Zwiebeln. Wäre da nicht das Problem mit dem 49er gewesen – ich hätte schreiben können: alles ist perfekt! An dem Problem selbst wurde hart gearbeitet, von Volkswagen und parallel über die Schiene Heinrich Kraus, der dann im Laufe des Tages in Nürnberg in den Flieger nach Paris und dann weiter nach Moskau und Irkutsk stieg. Mir war klar, dass hier nur Redundanz hilft.

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Neben den Blockhütten waren einige Jugendherbergen und Schullandheime in alten Plattenbauten untergebracht und so kam es, dass wir als die „Exoten“ sofort von den Mädchen und Jungen belagert wurden. Unsere Rallykappen erfreuten sich grosser Beliebtheit und die Unterhaltung ging ganz gut. Grosses Interesse fanden unsere Käfer aber auch der Tiguan.

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Gegen Mittag – kurz bevor Egon, Waldemar und ich dann wieder mit dem T5 nach Irkutsk zurück starteten – nahmen wir drei und Claus noch ein Bad im Baykalsee.

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Es war wirklich toll, niemals nur 8 Grad wie behauptet. Ich schätzte die Wassertemperatur auf so um die 12-14 Grad, auch nicht eben ein Thermalbad! Natürlich machten wir ein VW Werbefoto mit Tiguan am Baikalsee und den Beach Boys. Ich muss auch sagen, dass dieser See etwas magisches hat: Das Licht, die Wellenmuster an der Wasseroberfläche und einfach die schiere Grösse umgeben von grün bewaldeten Berghängen, alles ist speziell und zusammen mit dem strahlend blauen Himmel unvergesslich.

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Dann ging es nach Verabschiedung vom Restteam und vielen guten Wünschen in etwas mehr als zwei Stunden zurück nach Irkutsk, obwohl wir längere Zeit einer Hochzeitsgesellschaft mit Stretchlimousines hinterherfahren mussten über die Serpentinen an der Südspitze des Baikalsees. Von den Zurückgebliebenen machten manche ausgiebige Bergwanderungen, andere gingen ebenfalls schwimmen  und es war ein schöner Grillabend geplant. Das Wetter war traumhaft.
Erste Meldungen von der Volkswagen Front waren positiv. Ein Torsionsstab von Volkswagen Klassik war in Moskau, es musste aber noch ein Fluggast gefunden werden, der den Stab dann von Moskau nach Irkutsk transportierte. Leider zerschlug sich diese Version im Laufe der Nacht und es musste auf einen Spediteur umgestiegen werden. Dies hieß frühestens Eintreffen des Teils von Volkswagen am Montag – zu spät. Damit waren alle Hoffnungen auf Heinrich Kraus, der zweiten Option. Entscheidend war dabei, ob er die Einreise nach Russland bzw. der Umstieg in Moskau am Flughafen mit den beiden Torsionsstäben im Gepäck klappen würde.
Die dritte Lösung mit Nachbau des Teils in einer Hubschrauberfirma zerschlug sich ebenfalls, da dies ca. 4-5 Tage gedauert hätte, vom Preis ganz zu schweigen. Es war eine aufregende Nacht voller Spannung auf den kommenden Tag.

Tag 24: Irkutsk nach Ulan Ude

Die Nacht zurück in Irkutsk war aufregend, weil die Ersatzteillieferung alles andere als sicher war und ich konnte deshalb wenig schlafen. Zunächst rief mich Egon gegen Mitternacht an und teilte mir mit, dass die Teile von VW Klassikparts in Moskau hängen geblieben waren. Damit war Heinrich unsere letzte Hoffnung, dass er es mit seinen zwei Torsionsstäben nach Irkutsk schafft. So gegen 2 Uhr nachts rief mich Heinrich dann aus Moskau an: Er sei durch den Zoll und steige nun in den Flieger nach Irkutsk um, mit seinem Gepäck. Das war gute Nachricht und ich konnte etwas einschlafen. Am Morgen fuhren wir erstmal zur Werkstatt, in der mein 49er stand und bereiteten alles für den Einbau der beiden Torsionsstäbe vor. Wir entschlossen uns, unsere Autos zu waschen und Egon reinigte den T5 gleich in der Werkstatt. So gegen 10:30 Uhr fuhr mich Alexey (der Geschäftsführer der Werkstatt) zum Flughafen, um Heinrich abzuholen. Ich hatte bereits online gecheckt, dass der Flieger aus Moskau pünktlich sein würde. Die Erleichterung war gross, als Heinrich rauskam, noch grösser, als sein Koffer mit der kritischen Ware auch angekommen war. Dann sofort zur Werkstatt und innerhalb von 45 Minuten waren die beiden Torsionstäbe eingebaut und der Wagen wieder fahrbereit.

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Dann den 49er noch schnell gewaschen und alles wieder eingepackt, auch den alten intakten Torsionsstab aus meinem 49er. Wir machten noch Fotos vor der Werkstatt, mit Alexey, der uns wirklich sehr geholfen hat, unbürokratisch und kompetent. Vielen Dank dafür an die Rosso Werkstatt. www.rosso-vw.ru

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Die Teamkollegen hatte ich nach Ankunft von Heinrich und der Stäbe informiert und abgemacht, dass die Restmannschaft um 14.00 Uhr von Baikalsk in Richtung Ulan Ude losfahren sollte. Heinrich und ich fuhren mit dem 49er und neuen Torsionsstäben und Waldemar und Egon in dem T5 in Richtung Baykalsk und Ulan Ude los.

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Alles verlief astrein und nach etwas mehr als zwei Stunden waren wir in Baikalsk, wo wir Heinrich noch die Chance gaben, seine Hände in den Baikalsee zu tauchen. Dann ging es weiter nach Ulan Ude, um das Team wieder einzuholen. Wir waren etwa 250 km vor Ulan Ude, als ich einfach mal so bei Rainer im Vorausteam anrief und ich dachte, er mache einen Spass, als er mir erzählte, dass der Torsionsstab am Cabrio gebrochen sei und das ca. 70 km vor Ulan Ude. Nun hatten wir zum Glück ja den alten Stab des 49ers und der passte auch für das Brezelcabrio. Also fuhr  ich sofort rechts ran und informierte Egon, dass er nun vorausfahren müsse und das Team so schnell wie möglich aufholen. Heinrich und ich fuhren dann alleine auf weiter Flur am Baikalsee entlang und erreichten so gegen 21.00 Uhr das Team, welches schon in heftige Reperaturabeiten verwickelt war. Irgendwann wurde mir bewusst, dass wir nicht mal eine Landkarte oder etwas anderes zum Orientieren in unserem Wagen hatten. Aber es gibt auch nicht viel Auswahl zum Verfahren …

Egon hatte damit an einem Tag drei Torsionsstäbe einzubauen, was man auch nicht alle Tage macht. Einige des Teams sind nun Experten für die Hinterachsfederung von Brezelkäfern.  

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Bei Einbruch der Dunkelheit war der Cabrio auch wieder flott und wir fuhren die restlichen 70 km nach Ulan Ude ohne Probleme weiter. Im Hotel bekamen wir dann noch etwas zu essen und ich war so müde, dass ich beim Abendessen schon am Tisch einschlief.  Wir waren in unserer letzten Station in Russland angekommen. Am darauffolgenden Tag sollte es an die mongolische Grenze gehen. Dann würden wir das grösste Land der Erde durchquert – und dabei richtig viel erlebt haben.

 Tag 25: Wir verlassen Russland: Ulan Ude nach Darchan

Die Nacht in Ulan Ude war wieder einmal kurz, weil wir nach der On-Road Reparatur recht spät angekommen waren. Außerdem wollte ich noch den größten Leninkopf der Welt fotografieren, also früh raus!

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An unserem letzten Tag in Russland fuhren wir um 8.00 Uhr morgens in Richtung russischer Grenze los. Die Fahrt verlief reibungslos, eine neue, schon sehr an Mongoleibilder erinnernde, weite Landschaft stellte sich ein.

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Die Strassen waren zwar sehr ok, aber wir fuhren nach unseren Erfahrungen mit den Torsionsstäben („Staberln“, wie wir diese im leichten fränkischen Dialekt nannten) etwas zurückhaltender.

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Immer wieder stoppten wir, um Fotos zu schießen. Wir fuhren durch das Selenga-Gebirge in Richtung Süden zur Grenzstadt Kjachta, die mit 19000 Einwohnern nach der Öffnung des Grenzverkehrs zwischen Russland und der Mongolei zu einer gewissen

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Blüte kam. Mittendrin immer wieder kleine malerische Dörfer, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein schien.

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Dann kam zur Abwechslung mal wieder eine Schotterstrecke, die aber nur zu einer Behelfsbrücke führte und dann recht schnell wieder in die zwar schmale, aber dennoch gut geteerte und schön befahrbare Strecke einmündete. Immer wieder begleiteten und kreuzten uns Tiere und Tierherden auf unserem Weg, ein Vorgeschmack auf die Mongolei, in der dies ja bekanntermaßen zur Normalität gehört.

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Einmal fuhr ich mit meinem 49er einen Feldweg auf einen einsam gelegenen Berg hinauf, um die Weite bewusst zu genießen und einige Fotos zu schießen.

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Mich begeisterten sehr diese endlos grüne Weite und die sanft geschwungenen Hügel, die sich vor mir bis zum Horizont ausbreiteten. Unten auf der Strasse wartete der Rest des Konvois und Sigurd schleppte ganz schnell seine Kamera hoch, um einige Filmshoots zu machen. Wenn ich gewusst hätte, wie knapp später noch der Grenzübertritt werden würde, hätte ich mir diese kleinen Eskapaden sicher zweimal überlegt. Jedenfalls kamen wir dennoch gut voran, die Landschaft wurde immer karger, es stellte sich dann kurz vor der Grenze diese einzigartige Stimmung ein, wenn man sich einer wirklich kritischen Grenze nähert. Und Russland-Mongolei war eine dieser Art, zumal wir immer noch nicht ganz sicher waren, ob unser Servicefahrzeug ohne Schwierigkeiten passieren könnte. Ganz kurz vor der Grenze passierten wir eine Polizeikontrolle und dann noch eine recht große russische Kaserne der Grenzsoldaten. In einem nahe gelegenen Kiosk deckten wir uns aus der Erfahrung heraus mit Lebensmitteln und Getränken ein. Wir wussten ja nicht, wie lange der Grenzübertritt dauern sollte.

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Wir kamen kurz nach ein Uhr am frühen Nachmittag an der Grenze an. Dort herrschte zwar kein allzu großer Andrang, aber es war etwas unklar, wo man sich anstellen sollte und wann das Tor sich für wen wieder öffnen würde. Heinrich und Waldemar saßen bei mir im 49er. Nichts bewegte sich am Tor und Heinrich wurde es zu dumm. Er sondierte am Grenztor herum und fand tatsächlich einen Ansprechpartner durch den Zaun und wir konnten nach kurzer Verhandlung als Team wie ein Wunder vorfahren und gelangten nach etwas mehr als 30 Minuten in den russischen Zollbereich. In der Zwischenzeit hatte sich Waldemar zu Egon in den Service T5 gesetzt, damit ein russisch sprechender Beifahrer bei Egon ist, falls es wieder Probleme geben sollte. Das war eine gute Entscheidung.
Die Abfertigung der fünf Käfer und des Tiguans verlief absolut reibungslos, nur beim T5 fehlten wieder einmal dringend benötigte Dokumente. Das lag daran, dass die Grenzer bei der Einreise einfach nur Mist gemacht hatten und der T5 als solcher keine Einreisepapiere bekommen hatte (nur der Inhalt).
Also wurde der T5 rausgewunken und stand neben dem Zollgebäude als wir alle dann in Richtung mongolischer Abfertigung den Hang hinunterfuhren. Beunruhigt über das erneute „Feststecken“ des T5 an der Grenze setzte ich auf Waldemars Russischkenntnisse. Auf der mongolischen Seite hatten wir einen Agenturmitarbeiter von Kia Ora, der uns bei den Abstempelungen der einzelnen Zettelchen und Pässe half, was für einen normalen Menschen völlig unmöglich gewesen wäre. Mein 49er verliess gegen fünf Uhr russischer Zeit den Grenzbereich, die anderen folgten und wir sammelten uns nach der Grenze in dem nahe gelegenen mongolischen Dorf.

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Der T5 stand noch und ich war im ständigen Telefonkontakt mit Waldemar und Egon. Das Problem war, dass die Grenze um 19.00 Uhr russischer Zeit schließt. Das hatten wir vorher auch nicht gewusst. Also wurde die Zeit knapp.

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Letztlich aber haben es Waldemar und Egon doch geschafft und sie fuhren ca. 15 Minuten vor der Schließung der Grenze in den mongolischen Sektor ein. Die Erleichterung war groß, als der T5 vor Freude in Schlangenlinie fahrend auf unseren Sammelpunkt zukam. Wir begrüßten Egon und Waldemar mitten auf der Strasse fröhlich mit einer Laola-Welle. Die Mongolen guckten schon etwas komisch.

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Soweit war alles gut gelaufen und mit knapp 5 Stunden Grenzübergangszeit war es auch sehr kurz, wie mir zwei Engländer berichteten, die einen ganzen Tag an der russischen und sechs Stunde an der mongolischen Grenze verbrachten. Das einzig wirklich Ärgerliche am Grenzübergang war, dass ich mir an einer Treppe des mongolischen Zollhauses meinen Fuß verletzte bzw. die Knöchelsehnen dehnte und ich

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am Abend nach der Anschwellung kaum mehr auftreten konnte. Roland stellte noch am Zollhaus eine Diagnose, aber nach der Fahrt nach Darchan wurden die Schwellung und der Schmerz immer stärker. Die Fahrt von der Grenze nach Darchan unter Geleit unseres Travelguides war ok, Heinrich fuhr den 49er, weil mein Fuß die Bremskraft nicht aufbringen konnte, die Nacht brach herein und wir entschieden uns, in Darchan zu übernachten und dann am Montag nach Ulan Bator weiterzufahren. Dort werden wir an der deutschen Botschaft empfangen. Das späte mongolische Abendessen war sehr schmackhaft und mein Fuß wurde hoch gelagert und mit zwei Packungen Eiswürfel eingewickelt, was etwas zur Beruhigung der Schwellung führte.

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Tag 26: Darchan nach Ulan Bator

Wir fuhren gegen neun Uhr von Darchan in Richtung Süden nach Ulan Bator los. Die Straße war recht vernünftig, etwas schmal für eine Autobahn, aber dafür relativ sauber geteert. Unser mongolischer Reiseführer in seinem Passat mit Rechtslenkung fuhr vor, wir alle sieben hinterher. Verfahren konnte man sich nicht, denn es gab faktisch keine geteerte Abzweigung.

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Das größte Problem waren die Tierherden, die immer wieder die Straße kreuzen wollten und die das laute Hupen unserer Autos relativ wenig beeindruckte. So hieß es immer bremsbereit sein, wenn sich die Ziege oder die Kuh dann doch noch entschied, die Straße zu überqueren. Schließlich sollten unsere Originalkotflügel keinen Schaden davontragen. Die Landschaft zeigte sich sehr beeindruckend, die Hügel mit kurzem Gras intensiv grün. Man könnte hier in der Mongolei riesige Golfplätze anlegen, ohne einmal Rasen neu säen zu müssen. Waldemar sagte immer, das ist ein einziger Golfplatz.

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Die 250km Fahrt dauerte ca. vier Stunden und wir erreichten Ulan Bator gegen 14.00 Uhr. Hier war ein Empfang bei dem deutschen Botschafter Dr. Fischer angesagt. Wir fuhren also zunächst zum Hotel, zogen unsere mitgebrachten Anzüge an und waren dann plötzlich alle wieder richtig formell.

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Der Empfang in der deutschen  Botschaft gestaltete sich sehr herzlich und interessant. Herr Dr. Fischer erzählte uns viel über das Land und die Situation hier in der Mongolei. Es ergab sich ein sehr nettes Gespräch, wir erklärten, wie unsere Vintage Volkswagen Challenge entstand und was wir so alles schon erlebt hatten und noch vorhatten. Dabei wurden wir mit sehr schmackhaften Krapfen verwöhnt – vom Sacherbäcker in Ulan Bator – und das ganze Team genoss das Treffen.

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Dann holten wir unsere Käfer und fuhren auf den zentralen Platz von Ulan Bator. Dr. Fischer kam auch dazu.

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Bei der Abfahrt zurück zum Hotel gab es dann urplötzlich einen Sandsturm und ich hatte innerhalb von Sekunden Sand auf den Zähnen. Ein kleiner Vorgeschmack auf die Gobi. Abends gingen wir zusammen mit dem kleinen Siemens Team in Ulan Bator zum Mongolian Barbecue, eine sehr schmackhafte Erfahrung. Mein Fuß entwickelte sich recht gut dank der Versorgung durch Roland und der Hochlagerung im Fond meines 49ers, so dass ich auf eine Röntgenaufnahme verzichtete. Ich humpelte zwar noch im Barbecue, aber die Schmerzen ließen nach. Ich konnte auch schon wieder Auto fahren – was wollte ich  mehr bei einer Rallye.

Tag 27: Von Ulan Bator zum Camp in der Gobi

Wir fuhren von Ulan Bator in Richtung Süden nach Tschoir los, nicht ohne uns vorher mit viel Proviant für die Selbstversorgung ausgestattet zu haben und die Autos und Kanister gut voll getankt zu haben.

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Wir wurden geleitet von einem großen Toyota Jeep und mit den Warnblinkern an, war die Ausfahrt aus Ulan Bator auch kein Problem. Die Polizisten winkten uns sogar zu und gaben uns Vorrang.

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Der erste Teil der Strecke bis Tschoir war die am besten asphaltierte Strasse seit langer Zeit, und das inklusive Russland. Die einzigen Hindernisse waren einige Kühe, Pferde, Schafe und Ziegen auf der Fahrbahn.

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Wir fuhren einen sehr guten Schnitt, machten nur wenige Pausen zum Fotografieren. Zwischendurch leisteten wir uns eine gepflegte Brotzeit an der transmongolischen Eisenbahnlinie und tatsächlich kam ein langer Zug mit vier Lokomotiven keuchend und rauchend vorbei.

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Ein wilder Fotostopp war auch, als wir einfach einen recht steilen Hügel hinauffuhren, soweit wir eben kamen und dann sahen, dass es dort sogar Edelweiß und Enzian gab.

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Wir kamen recht zeitig in Tschoir an, einer Stadt, in der es keine geteerten Strassen gibt, tankten und wollten noch Geld abheben. „Da hinten bei dem Gebäude mit dem roten Dach“ hieß es und ich fuhr hin. Doch das war ein Früchtegeschäft. Und dann sah ich die Bank unscheinbar versteckt und wir konnten tatsächlich Geld tauschen, ja wir hätten angeblich sogar mit Karte abheben können, wenn es eine VISA gewesen wäre, aber die hatte ich nicht.

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Nach Tschoir ging es dann noch ca. fünf Kilometer asphaltiert weiter und dann war Schluss. Wir machten noch schöne Fotos am Ende der Strasse und schon waren wir auf der Piste, und das fast zwei volle Tage lang bis zur chinesischen Grenze. Toll war es, auf dem Sand zu fahren und wir machten richtig Dampf. Die Torsionsfederstäbe waren schon fast wieder vergessen.

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Nach ca. 40 km, gute 70 km vor unserem eigentlichen Etappentagesziel suchten wir uns eine Stelle zum Campen. Wir bauten eine Wagenburg, unser Guide organisierte

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Brennholz, wir stellten unsere Zelte auf und brachten die Kocher zum Laufen. Es war wie früher. Ich selbst überließ Waldemar mein  Zelt  und  verbrachte die Nacht im Schlafsack auf  einer  Isomatte im Freien unter dem Sternenhimmel der Wüste. Und dieser war einzigartig, weil man einfach unendlich mehr Sterne sah, die Milchstrasse sich im Sinne des Namens über den Himmel zog und die Sterne bis zum Horizont auch klar erkennbar waren. Kurz vor fünf Uhr morgens wachte ich auf und sah der Orion tief am Horizont.

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Tag 28: Vom Zeltplatz zum Jurtencamp

Die Fahrt durch die Gobi fing an diesem Tag bereits um ca. 8.00 Uhr an. Wir hatten eine gute Nacht im Zelt bzw. unter freien Himmel verbracht. Am frühen Morgen spürte ich sogar einige Regentropfen vom bedeckten Himmel fallen. Auch am zweiten Tag hatten wir mächtig Spaß am Fahren durch die Wüste, jedoch wurden die Wellenpisten für mich als 49er Fahrer mit den Hebelstossdämpfern und den kurzen Federungen an der Vorderachse immer mehr zum Problem. Die Ovalis schienen dieses nicht zu haben. Die Landschaft war größtenteils hügelig und wir mussten ab und an recht steile Anhöhen und Abfahrten überwinden. Dann wieder ging es im weichen Sand mit Vollgas in Parallelformation durch die Wüste.

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Ich konnte es nicht mehr hören, wenn mein Auto so sehr „sprang“ und schlug und musste langsamer fahren.

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Deshalb wurde nach einer etwas unglücklichen Situation die klare Parole herausgegeben, dass wir in der Reihenfolge der Startnummern fahren und die gefährlichen Links-/Rechts Überholmanöver ausbleiben sollen bzw. der langsamste das Tempo angibt. Gesagt getan und es wurde besser.

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Das Cabrio litt plötzlich unter Motorproblemen, bedingt durch das enorme Staubaufkommen im Motorraum. Der Luftfilter verstopfte von Zeit zu Zeit und dies war leicht zu beheben. Wir fuhren immer an der transmongolischen Eisenbahn entlang, die Strommasten waren eine gute Führung in der ansonsten weiten Wüste. Wir passierten Dalnjargalan und Har-Ayrag, zwei kleine Eisenbahnstationen mit Siedlung.

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Zwischendurch gab es immer wieder kurze Stopps, damit wir Fahrerwechsel machen bzw. uns ausruhen konnten.

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In Har-Ayrag fanden wir endlich eine Tankstelle, was uns sehr beruhigte. Unser Guide hatte dies natürlich gewusst.

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Wir erreichten Saynshand gegen 18.00 Uhr, kauften dort Proviant ein und hatten dann nur mehr 18km bis zu dem Jurtencamp „Gobi Sunrise“. Ab Saynshand verließen wir die transmongolische Eisenbahn und fuhren quer durch das Land. Was uns im Jurtencamp erwartete war guter Service und ein heraufziehender Sandsturm, der aber um uns herum vorbeiging.

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An diesem zweiten Wüstentag wurde ich nicht alt!! Relativ hart geschlafen auf der Matte im Freien, wenig Wasser getrunken und die ganze Piste gefahren – ich war nach einem Bier und Essen jurtenreif.

Tag 29: Durch die Gobi zur chinesischen Grenze

Wir fuhren sehr früh los, denn wir mussten ca. 220 km auf Pisten durch die Wüste Gobi.

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Es wurde ein ereignisreicher, aber auch wunderbarer Tag (zwei Platten, eine Not-OP, Hammelsuppe in Jurte, …), denn wir fuhren eine Strecke, die mit Sicherheit noch kein anderer Oldtimer gesehen hatte. Manchmal hatten wir den Eindruck, dass noch gar kein Auto diese Wege gefahren war. Zunächst fuhren wir noch das Buddhistische Engergiezentrum der Welt (Schambala) an, eine Anlage recht gewaltigen Ausmaßes, die wirklich sehenswert war, auch wenn sie erst vor vier Jahren gebaut wurde. In der Nähe das Kloster Khamryn Khiid, in dem noch aktive Mönche leben und ein kluger alter Schamane seine Weisheiten an die Menschen weitergibt. Sehr interessant sind dort auch die Dachverzierungen und –balken.

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Die Strecke bis zum Kloster war ok, eben Piste, aber dann bekamen wir immer mehr den Eindruck, dass der Guide uns nach Gefühl immer in die entlegendsten Ecken der Mongolei führen wollte, ohne zu beachten, dass wir keine Geländewagen sondern Oldtimer hatten. Es wurde eine lange Fahrt…

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Einmal blieb Egon mit dem T5 im Sand stecken und der Toyota-Jeep schleppte ihn heraus. Sonst kamen alle Käfer immer durch: das spricht für unsere Oldtimer.

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Um die Mittagszeit hatte unser Toyota-Jeep einen Platten, der relativ leicht behoben werden konnte. Während dieser Pause stieß sich Bernd B. beim Brotschneiden sein schweizer Taschenmesser in den Handballen. Es blutete richtig heftig und Roland musste sogar mit einigen Stichen die Wunde schließen. Notoperation in der Wüste Gobi. Nachdem sich Roland mit einem Nomaden angefreundet hatte, wurden wir in eine Jurte von der Familie zum  Hammel-

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suppeessen eingeladen. Einige trauten ihren Mägen das zu und es schmeckte super gut. Nachher wurden noch Erinnerungsfotos geschossen.

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Einmal schien das Richtungsgefühl unseren Guide verlassen zu haben. Nach einigen Kilometer also Wende und dann hatte der Jeep die zweite Reifenpanne. Ein ca. 20cm langes rundes Eisenstück steckte im Reifen. Zum Glück (und aus Erfahrung) hatte der Fahrer einen zweiten Reservereifen dabei und so ging es recht schnell weiter. Die Landschaften wechselten, von unendlich weiten Ebenen bis hin zu kleinen, mit grünem Magergras bewachsenen Hügeln wie Kamelhöckern.

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Immer wieder einzelne Jurten und Tierherden. Wir fuhren bis ca. 8 Uhr abends und erreichten bei Dämmerung unser „Eisenbahner Jurten-Camp“ kurz vor der Grenze. Hier war die Qualität schlecht, kein Wasser, Toiletten sehr schmutzig und die Jurten rochen nach Schafstall.

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Tag 30: Letzter Grenzübergang vor Peking

Die Nacht im Eisenbahner Jurtencamp war alles andere als angenehm. Meine nach Schaf stinkende Jurte erzeugte Kopfschmerz und um ca. 5 Uhr früh hielt ich es nicht mehr aus und machte einen „Spatengang“ mit meinem Kübelwagenspaten. Die Toiletten waren nicht zu benutzen und auch aus hygienischer Sicht unakzeptabel. Im Osten erstrahlte der Himmel in rot und vor diesem Hintergrund ratterte die transmongolische Eisenbahn vorbei. Ein interessantes Event am Morgen meines 49sten Geburtstages…

Um 8 Uhr war Abfahrt angesagt, um rechtzeitig an der Grenze zu sein, denn die Abfertigung sollte um 9 Uhr starten. Das Frühstück war trotz der unbequemen Umstände überraschend gut und wir starteten so gegen 8.15 Uhr in Richtung Grenzstation. Nach ca. 3 Kilometer Piste kam endlich wieder Teerstrasse und wir fühlten uns wie neu geboren.

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Unser Guide schleuste uns recht schnell durch die mongolische Seite und an der chinesischen ging auch alles zunächst gut voran, weil auch hier eine Reiseagentur uns unterstützte. Schon bei der Grenzabfertigung waren überall Journalisten mit Kameras und Fotoapparaten, um unsere Einreise zu filmen. Das half scheinbar zumindest bei der Grenzpolizei zur Beschleunigung.

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Dann durften wir vor das Abfertigungsgebäude fahren und uns aufstellen, um den von Volkswagen China vorbereiteten Event abzuhalten. Kleine Ansprachen von VW Vertreter Schadewald und mir und dann Fotoshooting.

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Meine Frau und die beiden Jungs waren schon auf dem Weg von Peking nach Datong und deshalb wollte ich gleich nach dem Event losfahren. Aber dann erfuhr ich, dass noch zwei Unterschriften des Zolls fehlten und die entsprechenden Mitarbeiter beim Mittagessen, einer davon sogar zuhause, seien. Wofür waren wir früh an der Grenze gewesen und hatten die Agentur eingeschaltet? Diese bemühte sich die Unterschriften heranzuholen und um 13.30 Uhr war es soweit: Wir konnten losfahren und hatten den Grenzübergang in ca. fünf Stunden geschafft, was letztlich auch keine schlechte Zeit ist für einen Konvoi von sieben Fahrzeugen war. Nach Geldabheben und Tanken ging es auf die Strecke, umschwirrt von Journalisten und Fotografen, die uns von allen Seiten während der Fahrt filmten und fotografierten.

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Wir kamen gut voran durch die Weiten der Inneren Mongolei. Welch ein Unterschied: Hier nun eine gut ausgebaute vierspurige Autobahn, tags zuvor eine holprige Piste.

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Nach nochmaligen Tanken erreichten wir gegen 9 Uhr abends unser Hotel in Datong. Hier hatte Anna eine wunderbare Geburtstags- bzw. Welcome Party vor dem Hotel arrangiert. Wir stellten unsere Käfer auf dem Parkplatz vor dem Hotel links und rechts neben den Biertischen ab und stürzten uns erstmal auf das reichhaltige Buffet, aufgebaut von Mitarbeitern der deutschen Metzgerei Schindler aus Peking. Sieglinde Schindler hatte sich auf ihr eigenes Abenteuer eingelassen, ca. 400 km westlich von Peking mit zwei kleinen Lastwagen und angereistem Personal zu catern. Es wurde ein feuchtfröhlicher Abend und nach dem Absacker mit dem Organisationsteam Anna, Michaela  Heinke, deutsche Ärztin aus Peking, Sieglinde Schindler, Moritz und Philipp ging es dann um ein Uhr nachts ins Bett. Ein langer und wichtiger Tag unserer Reise mit dem letzten Grenzübertritt in das Zielland China war zu Ende gegangen.

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Tag 31: Sightseeing in Datong

Datong war unser letzter Ruhetag vor der Fahrt nach Peking. Wir hatten Datong gewählt, weil in direkter Umgebung der ansonsten recht unattraktiven Stadt zwei großartige Sehenswürdigkeiten zu bewundern sind: Die weltbekannten hängenden Klöster in den Hengshan Bergen und die Grotten von Yungang.

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Wir also mit unseren Käfern und dem Tourguide auf in die Hengshan Berge, eine Fahrt von knapp zwei Stunden durch schöne Landschaften und bizarre Bergformationen. Die Fahrt war sozusagen eine Fahrstunde für die China unerfahrenen Teammitglieder, denn hier wurde ihnen klar, dass eine zweispurige Strasse in China mitnichten nur für zwei Autos parallel zu befahren ist. Wir überholten unzählige Kohletrucks und die tuckernden Dreiräder, die oft schon von Weiten an eine Qualmwolke beachtlichen Ausmaßes zu erkennen waren. Herr Schadewald von VW half mit seinem V8 Tuareg etwas mit, den Weg für die Käfer zu bahnen.

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Das Kloster war sehr beeindruckend durch seine spezielle Lage unter einem Felsüberhang, sozusagen natürlich vor Regen geschützt, wie ein Schwalbennest am steilen Felshang hängend. Wir hielten uns ca. eine Stunde dort auf und ich hatte schon ein mulmiges Gefühl, als ich an den eindeutig keiner deutschen Bauvorschrift entsprechenden, sehr niedrigen Brüstungen stand und in die Tiefe blickte

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Auf der Rückfahrt in Richtung Datong und zu den Yungang Grotten kam das Team das erste Mal in den Genuss eines chinesischen Mittagessens. Es war ok. Um zu den Yungang Grotten zu kommen, mussten wir uns durch den Rushhour Verkehr in Datong quälen, was interessanterweise schon recht gut klappte. Die Fahrstunden hatten schon Früchte getragen. Anna spielte auf dieser Strecke meinen Beifahrer und Waldemar genoss die Fahrt in meinem Dienstwagen. Bei den Grotten erwartete uns zunächst eine gigantische Baustelle.

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Hier wird für den Tourismus der Zukunft bereits gebaut. Die Grotten waren dann wirklich beeindruckend, 20000 Buddhas sollen in den hunderten von Grotten dargestellt sein. Auch war hier der größte Steinbuddha Chinas zu bestaunen. Die Wand-verzierungen waren sehens-wert und zum Glück auch recht gut erhalten. Nach der Führung ging es dann zurück ins Hotel und zum zweiten chinesischen Essen an diesem Tage. Auf dem Rückweg von den Grotten fuhren Moritz und Philipp bei mir mit, um das Gefühl der Fahrt über 11000 km zumindest für eine kurze Zeit gehabt zu haben. Aber vielleicht machen wir auch mal zusammen so eine Tour …

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Zwischenzeitlich waren auch die Ehefrauen von Bernd Boesenberg, Rainer, Claus und Steve in Peking angekommen und machten dort schon Sightseeing. Sie würden dann morgen bei unserem kurzen Stopp an der Mauer zu uns dazukommen. Am Abend zog ich mich zurück, um die Fotos zu sortieren und die Besten für unseren Blog auszuwählen und Blogs zu schreiben. Morgen würde unser letzter Tag der Fahrt sein. Wie schnell war die Zeit vergangen und wie viel hatten wir erlebt und gesehen!

Die Ankunft in Peking

Wir brachen um 8.00 Uhr morgens nach einem Kurzcheck unserer Käfer auf und nahmen die Autobahn in Richtung Peking. Die Strecke war gut, anfänglich sehr wenig Verkehr und wir kamen zügig voran. Dann jedoch, ca. 140 km vor Peking eine Sperre der Autobahn und wir mussten einen ca. 40 km langen Umweg fahren. Auf der Badaling Highway quälten sich sehr viele Lkws vorwärts und es war im Rückspiegel schön anzusehen, wie sich die Käfer durch diese Verkehrshindernisse voran bewegten. Eine neue Lektion in Sachen „Fahren auf chinesischen Straßen“.

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Gegen 1.30 Uhr am frühen Nachmittag erreichten wir die Große Mauer bei Badaling und freuten uns auf die Begrüßung durch den New Beetle Club Peking und das gemeinsame  Fotoshooting. Auch der deutsche Botschafter Dr. Schäfer und seine Frau waren bereits da, um uns zu begrüßen und ließen es sich nicht nehmen, selbst einen Beetle Cabrio zu fahren.

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So gegen 14:30 Uhr fuhren wir los nach Peking über den 6. Ring und dann über den 4. Ring zur Zieleinfahrt in die deutsche Botschaft. Ich fühlte mich wieder Zuhause. Ein schönes Gefühl. Die Einfahrt in die Botschaft war dann mindestens genauso begei-sternd wie die Verabschiedung in Erlangen.

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Einige hundert Gäste waren anwesend und unzählige Journalisten und Ehrengäste. Volkswagen, Lufthansa und die TUI hatten eine Feier vorbereitet, das Gasthaus Landgraf unterstützte das Ganze. Es gab Reden vom deutschen Botschafter und den Sponsoren und eine sehr nette und gute Moderation.

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Wir konnten es fast nicht glauben: Wir hatten die 11000 km ohne allzu große Probleme überwunden, waren in keinen einzigen Verkehrsunfall verwickelt und hatten unseren Zeitplan trotz einiger Rückschläge eingehalten. Unsere Käfer schlugen sich tapfer, das Team hielt zusammen, wenn es auch ab und an einige Unstimmigkeiten gab.

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Als Abschluss des Tages lud ich dann noch alle Teilnehmer mit den anwesenden Ehefrauen in den Capital Club ein, um Peking bei Nacht aus dem 50. Stock zu genießen.

Der Ausflug zur Grossen Mauer

Nach dem triumphalen Empfang in der Botschaft machten wir am Tag nach der Ankunftsfeier einen letzten gemeinsamen Ausflug mit unseren fünf Käfern zum Peking Car Museum. Ich hatte mich mit dem Besitzer, Herrn Luo bereits vor der Reise getroffen und abgemacht, dass wir eine gemeinsame Fahrt mit seinen Red Flag (Hong Qi) Staatskarossen und den Käfern zur Großen Mauer machen würden.

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Wir wurden von einem alten amerikanischen Jeep von der Autobahn abgeholt. Am Museum dann ein Trommel-wirbel und laute Musik. Es standen bereits fünf Hong Qi’s vor dem Museum, einer davon ein Cabriolet.  Nach kurzem Rundgang durch das Museum (ca. 160 Exponate, davon 25 Hong Qi’s) und nach einigen kurzen Ansprachen fuhren wir dann im Konvoi – abwechselnd Käfer und Hong Qi - zur Mauer. Hier erhielten  wir unsere Urkunden vorbereitet und überreicht durch Herrn Luo. Es war die erste Sino-German Vintage Car Parade zur Großen Mauer, und das anlässlich der 60 Jahr Feier der Volksrepublik China.

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Es war unvergessliches Erlebnis und Bild, wie Thomas und Waldemar im offenen Hong Qi die Passanten grüßten – echt staatsmännisch. Nach einem kurzen Mittagessen und der Gondelfahrt zur Mauer fuhren wir nach Peking zurück und leerten dort die Autos für die Abgabe an Volkswagen und den Transport zum Hafen aus.

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Ich aber nahm meinen 49er und fuhr ins Zentrum von Peking, um noch einige Fotos am Platz des Himmlischen Friedens und am Kaiserpalast zu schießen. So ca. um 19.00 Uhr trafen wir uns alle am Volkswagen Showroom, um die Käfer an Herrn Schadewald zu übergeben. Etwas wehmütig waren wir schon, als wir die schmucken Käfer abgeben mussten.

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Die Teammitglieder verab-schiedeten sich und ich fuhr mit unseren Gästen Roland, Thomas und Heinrich zurück nach Hause. Hier wartet noch viel Nacharbeit auf mich und ich freue mich schon darauf, einen Diavortrag mit den besten Fotos zu gestalten und ein Buch über die Reise zu schreiben.

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Epilog

Michael flog am 31. August schon zurück, denn er musste in seine Praxis. Bernd Boesenberg, Claus, Rainer und Steve machten mit ihren Frauen bzw. Familien noch eine Tour in China und Hongkong und flogen nach einer Woche zurück. Bernd Ohnesorge musste wie ich wieder ins Büro hier in China und die anderen flogen dann auch im Laufe der Woche zurück nach Deutschland. Unsere Käfer und die Begleitfahrzeuge wurden am Dienstag nach Tianjin zum Zoll transportiert und gingen per Schiff im Container zurück nach Deutschland. So konnten sie sich knapp sechs Wochen im Container ausruhen. Am 12. Oktober kamen die Container in Hamburg an und die Autos wurden in Lkws umgeladen.

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Die Begleitfahrzeuge gingen nach Wolfsburg und die Käfer wurden nach Erlangen im geschlossenen Autotransporter verfrachtet. Hier kamen sie am 16. Oktober an. Mittlerweile stehen meine drei Käfer wieder in der Sammlung und Bernds und Steves Käfer sind ebenfalls wieder zuhause. Der Transport zurück verlief reibungslos.
Es war ein tolles Erlebnis, mit Höhen und Tiefen, wir froren und schwitzten, wir lachten und waren ernst, wir scherzten und stritten. Es war alles dabei und am Ende war uns allen klar, was 11000 km Entfernung oder 10 Stunden Flug als Entfernung bedeuten. Es machte mich am Ende auch etwas nachdenklich. Kurz vor Beijing war ich schon etwas stolz darauf, basierend auf einer etwas verrückten Idee 14 Gleichgesinnte von Deutschland nach China gebracht zu haben.
Viele Journalisten fragten mich in den Interviews, was denn nun die nächste Reise sein werde. Tatsache ist, dass die Strecke Erlangen – Peking für mich persönlich eine ganz spezielle war. Von meiner Heimat zu meiner momentanen Arbeitsstätte. Deshalb sehe ich im Moment kein direktes Folgeprojekt. Aber ich arbeite schon an einem Buch über diese unglaubliche Reise, vielleicht mit dem Titel „Kleine Wagen auf ganz großer Fahrt“ …


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Richard Hausmann